Im ersten Teil der Talking-Business-Veranstaltung, die sich dieses Mal im Rahmen der Blockwoche des MBA Performance Management mit dem Thema „Purpose Driven Leadership“ beschäftigte, präsentierten Studiengangsleiterin Prof. Dr. Sabine Remdisch und Wissenschaftskollege Dr. Thomas Petzel die neuesten Forschungserkenntnisse ihrer Purpose-Studie, die jetzt von der LeadershipGarage innerhalb der jährlichen Befragung des Manager Barometers umgesetzt werden konnte. Anhand dieser Forschungserkenntnisse ließen sich bereits erste positive Zusammenhänge zwischen einem starken Shared Purpose und dem ganzheitlichen Unternehmenserfolg ablesen – von der Mitarbeiterzufriedenheit bis zum wirtschaftlichen Unternehmenserfolg.
Ihrem Anspruch als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis entsprechend, knüpfte die LeadershipGarage auch an diesen forschungsbasierten Part den unmittelbaren Blick in die Unternehmensrealität. Dazu eingeladen hatte sie zwei Vertreter eben solcher Organisationen, die ihren Purpose bereits gut verankern und zu einem erfolgreichen Shared Purpose entwickeln konnten: Piotr Furman, IT-Director der Tierschutzstiftung VIER PFOTEN, und Jonas Stolzke, Gründer und Geschäftsführer des sozial-innovativen Unternehmens my Boo. Darüber hinaus studiert Jonas übrigens im berufsbegleitenden MBA Performance Management.
Praxisnah und ganz unmittelbar berichteten die beiden Praktiker, wie genau das mit dem Purpose in ihren Organisationen funktioniert, worauf es ankam, um aus dem Purpose einen Shared Purpose zu machen, welche spürbaren Vorteile dieser auf welchen Ebenen mit sich bringt, aber auch, welche Stolperfallen bei der Umsetzung lauerten.
Shared Purpose im Arbeitsalltag
Die erste Frage von MBA-Studiengangskoordinator Christian Otto, der diese Runde moderierte, an die beiden Praxisgäste nahm den Shared Purpose im Arbeitsalltag ins Visier. Hier berichtete zunächst Jonas aus seinen Erfahrungen: Er beschreibt die Entwicklung des Purpose bei my Boo als eine Wellenbewegung. So waren er und seine Teams zu Beginn ihrer Gründung häufig direkt bei den Menschen in Ghana und sahen unmittelbar den Impact, den ihr damals noch junges Unternehmen durch den Fahrradverkauf dort erzeugte. In dieser Phase stand der Purpose voll im Fokus. Mit wachsendem Erfolg konzentrierten sich die Aktivitäten dann vorübergehend sehr stark auf das Geschehen in Deutschland und der Purpose trat in dem turbulenten Tagesgeschäft eher zurück, bis dann wieder mehr Raum für den gelebten Purpose entstand. Heute sind laut Jonas mindestens 95 % seiner Mitarbeitenden eng mit dem Unternehmen verbunden – und der Grund dafür ist das Wissen, mit ihrer Arbeit nicht nur sich selbst, sondern auch in Ghana etwas Gutes zu tun. Das sei einer der Hauptmotive, die volle Performance für my Boo zu entfalten. Aber auch auf breiter Basis zeigt sich der Purpose als äußert wirkungsvoll und als wesentlicher Treiber für den Markterfolg. Grund dafür ist die von Anfang an konsequente Verknüpfung des Produkts mit sozialem Engagement, das für die starken Commitments auch der Kunden sorgt. Für Jonas ist dieses Konsumverhalten, das sich immer stärker am Unternehmens-Purpose orientiert, ein extrem spannender Trend mit extrem vielen Zukunftschancen.
Die Organisation VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz – setzt sich weltweit für Tiere ein, erkennt und benennt Missstände, beschützt Tiere, rettet sie aus ihrer Not und entwickelt Petitionen. Finanziert und unterstützt wird die Tierschutzorganisation durch Spenden, Patenschaften und Ehrenämter.
Ganz ähnlich erlebt auch Piotr den starken Purpose seiner Organisation – und das, obwohl er mit seiner IT-Abteilung von den konkreten Tierschutzaktivitäten recht weit entfernt ist. Die Priorisierung des Purpose sei vor allem die Erkenntnis der VIER-PFOTEN-Geschäftsführung, dass ein klarer Purpose die interne DNA sehr stark aufbaut. Um das noch weiter zu unterstützen, wurden bei VIER PFOTEN daher fünf Principals rund um den Purpose herum entwickelt – was auch für die IT sehr hilfreich ist: Von den zuletzt im IT-Bereich neu hinzugewonnen Mitarbeitenden ist die Retention-Quote sehr hoch.
Das Purpose-Involvement-Modell im Praxistest
Ebenso interessant wie die eben gehörten Erfahrungsberichte, ist es, das zuvor gezeigte Involvement-Modell direkt an die Praktiker anzulegen und zu fragen: Auf welcher Ebene dieses Modells seht ihr euch – auf einem eher niedrigen oder einem eher hohen Niveau bezogen auf den Shared Purpose in eurem Unternehmen?
Bei my Boo, so berichtet Jonas, ist man generell auf zwei Ebenen unterwegs: Auf Unternehmensebene, in der Kommunikation mit anderen Unternehmen und in den Netzwerken wird eine starke Botschafter-Rolle eingenommen. Im internen Arbeitsalltag wiederum wird der Purpose nicht jedem Gespräch noch einmal extra vorangestellt, das Wissen darum ist vorhanden, sodass hier die Rolle der Macher überwiegt.
Die my Boo GmbH, vertreten durch Jonas Stolzke und Maximilian Schay, produziert Fahrräder mit Bambus-Rahmen. Die Grundidee dieser Produktion war es, einen nachwachsenden Rohstoff mit einem coolen Produkt zu verknüpfen. Verbunden ist das in Kiel ansässige Unternehmen mit einem sozialen Projekt: Die Bambusrahmen werden in Ghana gebaut, sodass auch vor Ort ein Kreislauf in Gang kommt, von dem die Region profitieren kann. Und: Aus den Erlösen, die mit den Fahrrädern erzielt werden, plus weiterer Spenden finanziert my Boo eine eigene Schule in Ghana, die zurzeit von 200 Kindern besucht wird.
Auch Piotr kann bestätigen, dass der Purpose in Gestalt der fünf Principals auf Management-Ebene sehr gut gelebt wird. Auf sein IT-Team, von dem ein Teil in Wien, ein Teil in Hamburg sitzt, wirkt sich das vor allem in Form von Vertrauen aus. Piotr unterscheidet zudem noch einmal zwischen Purpose und Vision: Während die Vision seiner Organisation sich an das Außen richtet, ist der Purpose intern gut verankert.
Am Beispiel dieser beiden Organisationen lässt sich schon einmal ganz praktisch ablesen, welche positiven Effekte ein Shared Purpose erzielen kann, wenn es zum Beispiel darum geht, Mitarbeitende und Kunden zu finden und zu binden.
Geteilter Purpose – doppelte Leistung?
Wie aber sieht es mit möglichen Schattenseiten aus? Besteht bei einem derart starken Purpose nicht auch die Gefahr, dass potenzielle Mitarbeitende sich ausschließlich wegen dieses Purpose im Unternehmen bewerben, um dann enttäuscht feststellen zu müssen, dass sich dieser nicht in jedem Fall mit dem manchmal gar nicht so romantischen Arbeitsalltag matcht?
Für Jonas zeigt sich diese Gefahr weniger unmittelbar am Purpose, sondern eher daran, dass sein Unternehmen wegen der explizit auch sozialen Komponente häufig als Projekt wahrgenommen wird und nicht als das wachsende Unternehmen mit bald 10 Mio. Euro Umsatz und rund 50 Mitarbeitenden, das es heute ist. Gerade High Potentials, denen neben der Sinnstiftung auch ihre Aufstiegs- und Karrierechancen wichtig sind, stünde dieser Projekt-Eindruck im Wege.
Bei VIER PFOTEN wiederum gilt es, zu schauen, ob der idealistisch auf 110 Prozent schwebende Kandidat dann auch fachlich wirklich passt. Es kam aber auch schon vor, dass ein zunächst ehrenamtlich tätiger Mitarbeiter zu einem festen und verdienten Mitarbeitenden avancierte.
Shared Purpose und Storytelling
Zu guter Letzt und mit Blick auf die Erkenntnis, dass Purpose vor allem auch durch Kommunikation den Sprung zum Shared Purpose schafft, stellte sich noch eine sehr wichtige Frage: Wie lässt sich ein Purpose kommunikativ so transportieren, dass er wirklich greifbar wird?
Das Erfolgsrezept bei my Boo sah so aus: Erstens eine klare, einfach formulierte Aussage der Geschichte und dann, zweitens, die Tiefe hineinbringen und die Geschichte dadurch inhaltlich füllen.
Auf dieses Vorgehen setzt auch VIER PFOTEN, wenn es zur Kommunikation des Purpose zunächst die Geschichte eines Tieres beispielhaft in allen Facetten erzählt. Ist diese Geschichte gut in allen sozialen Kanälen verankert, kann in die Tiefe gegangen und können auch die weiteren Schicksale erzählt werden. So kommt ein erster Stein ins Rollen, der dann eine Lawine bewirkt.
Nach diesen authentischen Geschichten aus der Praxis eines gelungenen Purpose Driven Leadership lässt sich insgesamt festhalten, dass sich die Prognose der positiven Effekte eines starken Purpose hier durchaus bestätigen lässt.
Vielen Dank Jonas Stolzke und Piotr Furman für diese lehrreichen Beiträge!
Welche theoretischen Studien diesen Praxiserfahrungen zugrunde lagen, war Inhalt des ersten Teils dieser Runde zum Purpose Driven Leadership in der Theorie.
Sie möchten ebenfalls zu unseren Talking-Business-Veranstaltungen eingeladen werden? Studiengangskoordinator Christian Otto informiert Sie gern über die nächsten Themen und Termine.