Mit dem Trendscout in die Zukunft der Arbeitswelt

Jedes Jahr setzt die LeadershipGarage unter Leitung von Prof. Dr. Sabine Remdisch ein neues Forschungsthema um, und so beschäftigt sie sich in diesem Jahr 2021 mit dem Themenkomplex „Hybrid Work Models“. Zusammen mit den Teilnehmenden der LeadershipGarage und extern dazu geladenen Experten aus Wissenschaft und Praxis, will die LeadershipGarage schauen, wie ein solches funktionierendes Hybrid-Work-Model im Team aussehen kann. Ein solches Modell ist schließlich abhängig von ganz vielen Variablen, angefangen bei jeder individuellen Persönlichkeit – manche Menschen können gut von Zuhause aus arbeiten, andere nicht – über den Job an sich – nicht jeder Job kann vom Home-Office aus erledigt werden – bis zu den kulturellen Dimensionen.

Um sich diesem Thema in einem ersten Schritt zu nähern, trafen sich die Teilnehmenden der laufenden LeadershipGarage jetzt in ihrem Innovation Space. In diesem interaktiven Format kommt die LeadershipGarage regelmäßig zum konstruktiven Austausch zusammen, die Teilnehmenden erhalten wissenschaftlichen Input zum aktuellen Schwerpunktthema, lernen neue Arbeitsmethoden kennen, finden Raum zur Vernetzung und gewähren sich exklusive Einblicke in ihre Unternehmenspraxis. Es war das erste Treffen der LeadershipGarage im neuen Jahr, und mit an Bord waren auch einige neuen Gesichter, die heute einmal hineingeschnuppert haben, um die LeadershipGarage kennenzulernen.

Während sich der Vormittag im Innovation Space vor allem dem Konzept des Ambidextrous Leadership widmete, ging es am Nachmittag um eine weitere wichtige Variable des Hybrid Work: den Raum, in dem wir künftig arbeiten werden. Welche Art von Raum werden wir in Zukunft benötigen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, war als Experte aus der Praxis Raphael Gielgen eingeladen, der als Trendscout ZUKUNFT DER ARBEIT, beim Designmöbelhersteller Vitra das Wesen einer zukünftigen Wissensarbeit ergründet.

Unser Innovation Space führte uns von Lüneburg nach Ingolstadt und schließlich nach Weil am Rhein.

Die Landkarte der neuen Arbeit

Die erste Frage ist natürlich: Was macht ein Trendscout bei Vitra? Vereinfacht gesagt: Er holt die Welt von draußen in das Unternehmen Vitra hinein. Dabei geht seine Aufgabe noch über den Markenkern des Unternehmens, in diesem Falle also das Design hinaus – seine Aufgabe ist es, ganz übergreifend das Wesen der zukünftigen Arbeit zu verstehen: Wie sieht die physische und die virtuelle Welt der Arbeit in Zukunft aus? Die Antworten darauf sind dann wichtig für die Vitra Community: Kunden, Architekten und Partner; aus diesen Antworten können künftige Narrative entstehen.

Für seine Aufgabe bei Vitra hat Raphael es sich zum Konzept gemacht, ein WORK PANORAMA „Landkarte der Muster und Trends der neuen Welt“ zu erstellen. Dabei geht er so vor, dass er zu wichtigen Themen zunächst einmal alles sammelt, was ihm dazu über den Weg läuft; auch beginnt er, aktiv zu recherchieren und zu lesen. In der zweiten Phase besucht er gezielt die Protagonisten oder Unternehmen, die in diesen Themen bereits ganz vorne sind. In den folgenden Arbeitsphasen entstehen aus den Themen weitere Unterthemen, es werden Kontexte gebündelt – und so entsteht schließlich sein WORK PANORAMA, das einen Zukunftsraum des Themas erkennbar und verstehbarer macht. Insgesamt besteht ein solches Panorama aus acht Themenculstern, zu denen beispielsweise Planet Centric Design, Work from Anywhere, Virtual Collectivity oder Cultural Framework gehören.

Seine gesamte Recherche legt Raphael in seinem digitalen Archiv „RAPHAEL´S FLIPBOARD“ ab. Hier liegen für alle zugänglich 3.000 Reports, Studien und Artikel, in denen bereits mehr als sechzigtausendmal geblättert wurde. Eine wirklich spannende und inspirierende Art und Weise, der Zukunft auf die Spur zu kommen. Fehlt nur noch das Momentum – also der Moment, in dem in der Praxis geprüft wird, ob ein Thema wirklich heiß ist. Dazu streut Raphael eben dieses Thema in seine Vorträge ein und schaut, wie die Zuhörenden darauf reagieren: Werden sie aufmerksam, gehen die Augenbrauen hoch, ist es ein Zeichen dafür, ins Schwarze getroffen zu haben.

Hat der Schreibtisch ausgedient?

Für Vitra selbst sind die Veränderungen der Arbeitswelt in doppelter Hinsicht von Bedeutung, denn es ändern sich nicht nur die eigenen Arbeitsbedingungen, sondern auch die Voraussetzungen für die Produkte des Unternehmens: Wie geht es weiter mit dem für physische Arbeitsplätze konzipierten Büromobiliar in einer Arbeitswelt, die sich immer stärker in Richtung digital mit virtuellen Räumen der Zusammenarbeit entwickelt? Raphael geht davon aus, dass wir bereits in diesem Jahr erste Meetings in Virtual-Reality-Umgebungen haben werden. Schon jetzt fragen erste Unternehmen nach der Ausgestaltung eines virtuellen Zwillings ihrer Organisation. Vitra entwickelt bereits Ideen zu den Einrichtungen einer Architektur der Wissensarbeit, in der es keine Grenzen gibt. Dass es ein übergeordnetes Konzept geben wird, das sich durchsetzt, hält Raphael dabei für unwahrscheinlich. Unternehmen heute wollen sich spüren, und die Unternehmensleitung muss immer mehr Fragen der Kunden und Mitarbeitenden beantworten. Das ganze Konsumverhalten hat sich individualisiert und somit das generische Konzept ausgedient.

Besondere Bedeutung in der digitalen Arbeitswelt und der Führung auf Distanz schreibt Raphael demzufolge auch dem Thema Kultur und der Bindung von Mitarbeitenden und Kunden durch die Kultur eines Unternehmens zu. Unternehmen müssen für sich beantworten: Was sind die Artefakte, die den Mitarbeitenden begleiten und ihm ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln und auf welcher Basis welcher kulturellen Stile funktioniert die Organisation? Zu solchen Stilen zählen beispielsweise Fürsorge, Purpose, Wirtschaftlichkeit. Kulturelle Stile sind dabei als Framework zu begreifen und nicht länger die Kultur als eine Sammlung isolierter Werte. Das Schlüsselmomentum für die Führung auf Distanz, der Hauptcode für die Mitarbeiterbindung ist hier die psychologische Sicherheit. Nur daraus entsteht Zugehörigkeit, und nur aus dieser Zugehörigkeit heraus kann Vielfalt entstehen und funktionieren. Die Zukunft, so Raphael, gehört den heterogenen, aufeinander eingespielten Teams – und der Klebstoff, der diese Teams zusammenhält, ist ihr Wertekanon. Klassische Abteilungen hingegen wird es schon bald nicht mehr geben.

Das ändert zudem die von künftigen Führungskräften geforderten Fähigkeiten. Bislang sind Manager trainiert auf Themen wie Unternehmensstrategie, Rationalität, Produktivität und Effizienz; das jedoch sind nicht die Themen des wahren Lebens. Das wahre Leben basiert auf Kulturtechniken, worauf wiederum die Manager noch nicht trainiert sind.

Und worauf muss sich die Universität der Zukunft einrichten?

In Zukunft wird Wissensarbeit einen immer größeren Raum einnehmen. Gefragt nach der künftigen Einrichtung des Lern- und Wissensraums Universität schlägt Raphael ein radikales Neudenken vor: Ein weißes Blatt Papier, alles vergessen, was bislang über eine Universität in den Köpfen war, und stattdessen noch einmal ganz grundsätzlich fragen: Was ist eine Universität? Aus den Antworten darauf werden dann Konzepte und Räume entstehen, die der heranwachsenden Generation Rechnung tragen werden.

Vielen Dank, Raphael Gielgen, für diese inspirierenden Einblicke in die Trends der künftigen Arbeitswelt!

Möchten auch Sie einmal in unsere LeadershipGarage hineinschnuppern? Dann wenden Sie sich bitte an Hannah Vergossen, die euch gern die nächsten Termine und Themen der Treffen nennt.

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