42 – die spannende Antwort auf die Frage nach dem Lernen der Zukunft

Beim letzten Innovation Space der LeadershipGarage drehte sich alles um das Thema „Foresight“, also die Frage, wie die Führungskräfte von heute an das nötige Wissen für morgen kommen. Zu den Speakern, die zu diesem Thema eingeladen waren, zählte auch Thomas Bornheim, CEO der vor drei Wochen in einer frisch sanierten Maschinenfabrik in Heilbronn eröffneten „42 Heilbronn“. Dahinter verbirgt sich eine Schule für angehende Programmierer, genauer gesagt: hier erlernen junge Menschen praxisnah und in einem bislang wirklich ungewöhnlichen Schulkonzept das Programmieren.

„Das erleben zu dürfen, Menschen hier so ein Angebot machen zu dürfen, das ist ein Geschenk.“  Thomas Bornheim, CEO 42 Heilbronn

Die „42“ im Namen der Schule ist ein Zitat aus dem Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“, in dem es unter anderem um die Suche nach der Antwort auf alle Fragen geht – und diese Antwort lautet: 42. Dass sich die 42 Heilbronn auch über dieses Zitat hinaus als innovatives Modell des Lernens darstellt, wird schnell aus dem spannenden Vortrag deutlich, den Thomas für die Teilnehmenden der LeadershipGarage mitgebracht hat.

Die 42 Heilbronn ist Teil einer globalen Bildungsbewegung: Die erste dieser Programmierschulen wurde im Jahr 2013 in Paris eröffnet, heute gibt es 36 Schulen in 23 Ländern mit insgesamt mehr als 10.000 Studierenden. Hinzu kommen noch einmal an die 10.000 Unternehmen, die zum 42-Netzwerk gehören und den Studierenden beispielsweise die für ihr Studium notwendigen Praktika bieten. Nicht selten wird dabei aus dem Praktikums- auch gleich der erste Arbeitsplatz. In der jetzt neu hinzugekommenen 42 Heilbronn studieren aktuell rund 100 Studierende aus 19 Ländern. Und weil die 42 Heilbronn außerdem auch Teil des nahegelegenen Bildungscampus Heilbronn mit der dort ansässigen Hochschule ist, profitieren die 42-Studierenden zusätzlich von der dort etablierten Infrastruktur, wie zum Beispiel der Bibliothek und der Mensa.

Lernmodell der Zukunft – eins: Lernen ohne Lehrer

Dass es an einer Schule keine Lehrer gibt – das ist das erste herausstechende Merkmal des Lernens an der 42 Heilbronn. Stattdessen wählen sich die Studierenden ihre Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad selbst, arbeiten eigenständig und mit den anderen Studierenden, ganz ohne vorgegebenen Unterricht und ohne ausgewiesene Lehrpersonen. Stattdessen heißen die Lernformate hier Peer-Learning, Gamification und projektbasiertes Lernen. Insgesamt erstreckt sich die Lernphase über drei Jahre. Den Anfang macht eine etwa vierwöchige Aufnahmephase, gefolgt von dem etwa 18-monatigen Grundlagenstudium, in dem auch die ersten Praktika absolviert werden, gefolgt von einem etwa zweijährigen Mastery, in dem die Spezialisierungen und weitere Praktika stattfinden. Und dann? Das ist das zweite herausstechende Merkmal der 42 Heilbronn: Es gibt keine offizielle Abschlussprüfung, keine Abschlusszeugnisse, keine Zertifikate.

Lernmodell der Zukunft – zwei: Lernen ohne Abschluss

Eine Ausbildung ohne offiziellen Abschluss – kann das funktionieren? Ja, sagt Thomas, und berichtet, dass die Absolventen seiner Schule auch ohne formale Abschlusspapiere auf einen Arbeitsmarkt treffen, der sie mit offenen Armen und überdurchschnittlich hohen Einstiegsgehältern empfängt. Klar, für den Einstieg in eine Behörde, die nach wie vor darauf angewiesen ist, Mitarbeitende anhand ihrer formalen Abschlüsse in Gehaltsstufen eingruppieren zu können, ist dieses Anti-Abschluss-Prinzip nicht geeignet. Aber Behörden stellen eben auch nicht unbedingt das Arbeitsumfeld der 42-Absolventen dar bzw. erst andersherum wird für Thomas ein Schuh draus: Wollen auch sie in den Genuss des Wissens aus einer der 42-Schulen kommen, ist es an den Behörden, ihre Einstellungspraxis zu ändern. Die Halbwertszeit des in der 42 Heilbronn erworbenen Wissens beträgt laut Thomas etwa drei bis vier Jahre, danach ist es im Bereich Software Engineering wichtig, sich wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Auch diese Erkenntnis spricht Thomas zufolge gegen offizielle Abschlüsse, die allzu häufig lediglich einen einmal erworbenen Wissenstand zementieren, aber nicht abbilden, was in der Zwischenzeit auch zusätzlich noch gelernt wurde.

Lernmodell der Zukunft – drei: Lernen für alle

Was muss ein Studierender für das Lernmodell der 42 Heilbronn mitbringen, was zeichnet einen 42-Studierenden aus? Etwa 40 % der Studierenden bringen bereits eigene Erfahrungen im Bereich des Programmierens mit, haben vielleicht schon ihre eigenen Apps oder sogar schon ein eigenes Business entwickelt. Aber egal, ob bereits „Nerd“ oder nicht: Das erklärte Ziel für alle Studierenden ist die Weiterentwicklung zum Coder. Und zum Teamplayer, ein weiterer ganz wichtiger Punkt der Ausbildung, denn die Schule ermöglicht eben nicht nur die Spezialisierung, sondern gleichzeitig auch ein Lernmodell, das in die Breite geht. Eine weitere Klientel der Studierenden sind die sogenannten Upskiller. Sie sind besonders purpose-getrieben, waren in ihren bisherigen Jobs vielleicht unzufrieden und möchten etwas erreichen, etwas umsetzen. Mit dieser Beschreibung spricht Thomas insbesondere auch die Frauen unter den Studierenden an, von denen es künftig an der 42 Heilbronn noch viel mehr geben soll. Die 42-Studierenden haben also die vielfältigsten Hintergründe, sie kommen aus festen Jobs oder waren Freelancer, bringen erste Erfahrungen mit oder sind totale Quereinsteiger ins Fach; so gibt es unter ihnen beispielsweise ehemalige Lehrerinnen und Piloten. Für die Schule selbst zählt nicht, was vorher war, sondern der Eifer und das Engagement, mit dem die Studierenden hier einsteigen.

„Hier wird man nicht zum Nerd – hier wird man vom Nerd zum Coder.“ Thomas Bornheim, CEO 42 Heilbronn

Das Studium ist grundsätzlich auch nebenberuflich möglich; nur für die intensive Aufnahmephase müssten sich drei bis vier Wochen Urlaub genommen werden, berichtet Thomas. Das Studium selbst findet komplett in Präsenz statt, und das auch mit dem Ziel, sich als Team und Community zu entwickeln und gemeinsame Ansprüche formulieren zu können. Die 42 Heilbronn ist eine gGmbH und wird von der Dieter-Schwarz-Stiftung finanziert.

Lernmodell der Zukunft – vier: Lernerfolge lebensnah messen

Die Erfolgsmessung an der 42 Heilbronn erfolgt über vier verschiedene Methoden. Zum einen geht es um das Messen des Hauptziels der Schule: Jeder soll sich freuen, wenn er hier durch die Türen tritt. Dafür wird es Buttons geben, auf denen die Studierenden bei Eintritt zwischen „happy“ und „unhappy“ wählen können. Die zweite Methode ist ein zweiwöchentlich durchgeführter Vibe-Survey, um die Zufriedenheit der Studierenden mit ihrem Fortkommen, dem Schulmodell und anderen Faktoren zu erfassen. Aus den so gewonnenen Ergebnissen zieht die Schule dann auch Ideen, um Wünsche der Studierenden umzusetzen. Als dritte Erfolgskontrolle gibt es die Evaluierung der Praktika, um die guten und die nicht so guten Erfahrungen der Studierenden und auch der Unternehmen zu ermitteln. Und zum Vierten wird es Befragungen innerhalb des Alumninetzwerks geben. Alle Methoden spiegeln damit genau die Bereiche wider, die dieser Schule am Herzen liegen: Zufriedene Studierende, die auch nach ihrem Studium ihrer Profession mit Begeisterung und Erfolg nachgehen können.

Lernmodell der Zukunft – fünf: Lernen über die Schule hinaus

Ein weiteres wichtiges Anliegen der 42 Heilbronn ist die Integration der Schule mit der Stadt. Aus eigener Erfahrung im Silicon Valley weiß Thomas, dass Innovationskraft allein nicht alles ist – als Blaupause eines Gesellschaftsmodells funktioniert das Silicon Valley seiner Erfahrung nach nicht. Vielmehr ließe sich dort ablesen, wie sehr sich eine Region auch verzerren kann, wenn nicht alle Leute mitgenommen werden. Daher besteht die Chance, die Thomas über die Lerninhalte hinaus mit der 42 Heilbronn verbindet, darin, tief mit der Stadt Heilbronn zu interagieren und gemeinsam zu schauen, wie das hier entwickelte Talent eingesetzt und auch für die Gemeinde nutzbar gemacht werden kann. Und so fließt alles Gute, das Thomas in seinen sieben Jahren im Silicon Valley aufnehmen konnte, heute nicht nur unmittelbar in die 42 Heilbronn ein, sondern wirkt auch über den Tellerrand dieser Schule hinaus.

Und was können Führungskräfte aus den Erfahrungen der 42 Heilbronn hinsichtlich ihres Kulturwandels lernen? Den Teilnehmenden der LeadershipGarage rät Thomas, nicht einfach ein Silicon Valley aufbauen zu wollen, sondern darauf zu bauen, dass die Mitarbeitenden, die Dinge ausprobieren möchten, das auch können. Dafür müssten Räume geschaffen, Freiheiten gegeben und eine Kultur gelebt werden, in der Fehler und Ausprobieren erlaubt sind und die Mitarbeitenden gern und mit Begeisterung zur Arbeit kommen.

Vielen Dank, Thomas Bornheim, für diesen spannenden und lehrreichen Ausflug in das innovative Lernmodell der 42 Heilbronn!

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