„Die Klaviatur hat sich deutlich erweitert“

Wie gestalten sich hybride Arbeitsstrukturen in der Praxis? Das wollen wir mit unserer lockeren Interview-Reihe rund um das Thema Hybrid Work herausfinden. Gesprochen haben wir dazu jetzt mit Oliver Rehbein, Leiter IT-Management in der Sparkasse Lüneburg. Das Aufgabenspektrum seiner Abteilung reicht von der Gestaltung der IT-Strategie, dem Management der IT‑Budgets über die Client-/Server-Betreuung und die Anwendungsbetreuung bis hin zur Softwareentwicklung und Netzwerktechnik. Sein Team umfasst neun Mitarbeitende zuzüglich Auszubildende und Praktikanten. Die Sparkasse Lüneburg ist ein regionales Unternehmen mit Geschäftssitz in Lüneburg, und auch die Mitarbeitenden kommen in der Mehrzahl aus dieser Region.

Oliver Rehbein

Wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie im Büro, wie viel Prozent im Homeoffice bzw. mobil?

Bei mir persönlich sind es maximal 20 Prozent, die ich im Homeoffice verbringe. Ich bin also zu 80 bis 90 Prozent im Office, und zwar sowohl während der Corona-Zeit als auch jetzt. Das Homeoffice nutze ich eher situativ und dann im Tag-Hybrid, das heißt, ich bin zum Beispiel am Vormittag im Office und am Nachmittag im Homeoffice, sodass ich eigentlich jeden Tag im Büro bin. Grund dafür ist, dass wir im Team die Homeoffice-Regelung hochgradig individuell handhaben: Ich habe Mitarbeitende, die zu nahezu 100 Prozent im Homeoffice sind bis hin zu Mitarbeitenden, die zu nahezu 100 Prozent im Office sind. Damit will und muss ich als Führungskraft den Mitarbeitenden gleichermaßen gerecht werden. Deshalb habe ich es für mich so gelöst, dass ich eine Mischung aus Office und Homeoffice habe, die es mir ermöglicht, jeden Tag auch im Büro zu sein und sporadisch die andere Hälfte des Tages zuhause zu verbringen. Die Präsenz meiner Mitarbeitenden variiert vor allem tageweise: Es gibt Mitarbeitende, die sind Montag, Dienstag, Donnerstag im Office und es gibt Mitarbeitende, die handhaben Homeoffice im Tag-Hybrid – wir betrachten die Regelungen sehr situativ, dabei spielen auch Anfahrtswege oder die persönliche Lebenssituation eine Rolle, zum Beispiel die Betreuung von Kindern. Mein Entgegenkommen sieht so aus, dass jeder mindestens einen Tag im Office sein soll, damit ich jeden mindestens einmal in der Woche sehe. Die meisten Mitarbeitenden sind aber eher zwei bis drei Tage hier. In anderen Abteilungen, deren Aufgaben keine so hohe Präsenz erfordern wie die unsrigen, wurde zur Pandemiezeit gefühlt 100 Prozent im Homeoffice gearbeitet. In einigen dieser Abteilungen ist inzwischen aber eine Rückkehr zu beobachten – auf Wunsch der Mitarbeitenden, die im Homeoffice das Gefühl hatten, zu veröden, die ihre Kolleginnen und Kollegen einmal in echt wiedersehen und auch mal wieder das, was wir als „Flurfunk“ bezeichnen, wahrnehmen wollten. Das alles, insbesondere Informationen außerhalb der originären Tätigkeit, ging ja zwischenzeitlich fast komplett verloren. Es lässt sich eben nicht alles in Stand-ups realisieren, zum Beispiel, dass tiefgehend und umfassend gesprochen wird. In Stand-ups geht es doch eher um die Essenz an Informationen, es wird viel mehr gefiltert, und ich trage nur das bei, was aus meiner Sicht gerade relevant für mich bzw. die anderen Teilnehmenden ist. Das eher zufällige Aufschnappen von Themen hat sich reduziert – die sogenannten Kaffeebar-Gespräche fallen weg.

Offenheit und Flexibilität zulassen

Welche Veränderungen und Herausforderungen bringt hybrides Arbeiten mit sich – für Sie als Führungskraft und für Ihre Teams?

Für mich ist die Herausforderung, in einem ständigen Spannungsverhältnis herauszuarbeiten, was für die Mitarbeitenden gerade gut ist, was sie für ihre fachliche und persönliche Entwicklung benötigen. Dabei die ständigen Veränderungen zu erkennen oder gar zu initiieren und innerhalb des Teams die Offenheit und Flexibilität für die gerade aktuelle Situation zuzulassen, das ist tatsächlich eine Herausforderung an mich als Führungskraft. Eine Führungskraft muss die unterschiedlichsten Spielarten beherrschen – sie ist einerseits Lehrer, ist Coach, ist Mentor, manchmal Manager, Troubleshooter, Facilitator und mehr. Die Führungskraft sorgt dafür, dass das Team zusammenarbeitet, harmoniert und performt. Die Herausforderung dabei ist, über die Rolle, die ich jeweils einnehme, jeden Einzelnen und auch das Team zu entwickeln, zu stärken oder auch, sich selber zu hinterfragen. Und gerade die Rolle das Facilitators, der also darauf achtet, dass das Team interagiert, der dessen Ziele zusammenbringt, lief leichter als alle in Präsenz anwesend waren. Im hybriden Arbeiten ist gerade diese Aufgabe schwieriger geworden und braucht mehr Energie. So muss ich darauf achten, ob es im Team zu Vorbehalten kommt, beispielweise zum gegenseitigen Verdacht der Faulheit – wenn Menschen im Homeoffice sind, kann es schnell Gedanken geben wie: Ich sehe ihn nicht, ich weiß nicht, was er macht, arbeitet er überhaupt, arbeite ich alleine? Und meine Aufgabe ist es, sehr stark darauf zu achten, dass Kohäsion im Team noch gegeben ist und was es braucht, damit sie fortbesteht. Brauchen wir vielleicht an einer Stelle mehr Transparenz, mehr Einbindung, alternative Formate, konkrete Gespräche? Im hybriden Arbeiten sehe ich da einen deutlich stärkeren Fokus, die Menschen als Team zusammenzubringen. Gerade diese Vertrauensfragen stellen sich nicht nur von Führungskraft bzw. Unternehmen zu Mitarbeitendem, sondern auch unter den Mitarbeitenden.

Ein weiterer Punkt ist die gegenseitige Unterstützung. Früher sind wir einfach in einen Raum hineingegangen, haben über ein Problem gesprochen und um Hilfe gebeten –dann gab es in der Regel eine gemeinsame Diskussion, Erörterung, bis hin zu Unterstützungsangeboten von Kollegen. Das ist in hybriden Teams schwieriger. Ich müsste erst Teilnehmende auswählen und einen Call starten. Oder eine Frage in die Gruppe schriftlich posten. Es fehlt teilweise einfach die Spontaneität und Kreativität bei Problemlösungen.

Was sich darüber hinaus auch verändert hat, ist das Thema der Entgrenzung. Wie organisiere ich mich und wie achte ich im Homeoffice auf meine Gesundheit? Wie bekomme ich die Abgrenzung zur täglichen Arbeit hin?

Für mich persönlich ist der Heimweg vom Büro ideal, um Abstand von der Arbeit nehmen zu können. Wenn ich aber doch mal einen kompletten Tag im Homeoffice verbracht habe, fiel es mir eher schwer, weil dann ein bewährtes Ritual wegfiel. Meine Gedanken kreisten länger um Arbeitsthemen, ich fuhr dann den Rechner doch noch einmal kurz hoch, um etwas zu gucken, weil es ja ganz schnell ging. Das habe ich für mich heute besser geregelt. Was aber wichtig ist, so ging und geht es meinen Mitarbeitenden in Teilen auch. Darüber sprechen wir dann und ich versuche, Hilfestellung zu geben. Da komme ich dann ins Coaching: Was gibt es für Mechanismen und Methodiken, um sich zu organisieren, um den Wechsel zwischen Arbeits- und Privatleben hinzubekommen?

So habe ich leider auch festgestellt, dass die Tätigkeit im Homeoffice kein Ausschluss von Burnout ist. Die persönlichen Gespräche, die Vier-Augen-Gespräche, finden in dem Maße bzw. der Offenheit und Tiefe leider über das Telefon oder den Video-Call gar nicht mehr statt. In solchen Gesprächen merkte ich früher, wenn es jemandem nicht gut ging, wenn er oder sie Probleme oder Schwierigkeiten hatte und konnte darauf eingehen.

Eine wichtige Kompetenz ist das Selbstmanagement

Welche Kompetenzen sind für hybrides Arbeiten notwendig – in Bezug auf Sie als Führungskraft und in Bezug auf die Kompetenzen Ihrer Mitarbeitenden?

Bei den Mitarbeitenden ist es das Selbstmanagement. Zu wissen: Wie viel Homeoffice tut mir gut und wie muss dieses Homeoffice gestaltet sein? Was für ein Arbeitsumfeld brauche ich, von Räumlichkeiten bis zu familiären Absprachen, und wie ist es für mich gut umsetzbar? Habe ich ein eigenes Arbeitszimmer oder sitze ich immer am Küchentisch? Sich dessen bewusst zu werden, ist eine wichtige Sache. Mir persönlich geht es so, dass, wenn ich im Homeoffice sitze, mein Schreibtisch nahezu leer sein muss von privaten Dingen. Damit meine ich Dinge, die mich an private Aufgaben erinnern. Die würden mich sonst ablenken. Jeder braucht eine gewisse Awareness für das, was einem wichtig ist und guttut. Selbstmanagement, das In-sich-Hineinspüren und Fühlen hat dabei eine hohe Bedeutung. Vielleicht ist zum Beispiel eine ausgedehntere Mittagspause gut, in der ich Dinge erledigen kann, was kochen kann, um dann abends länger zu arbeiten. So kann ich in einen Arbeitsturnus kommen, der mir einfach besser tut. Dafür eine gewisse Klarheit zu entwickeln, dafür braucht es Kompetenz. Und für diese Kompetenz versuche ich meinen Mitarbeitenden in persönlichen Vier-Augen –  Gesprächen Hilfestellung zu geben. Im Team nutzen wir verschiedenste Gesprächsformate, die ich etabliert habe, und eben in diesen Vier-Augen-Gesprächen geht es neben dem fachlichen Austausch auch um die private Situation jedes Einzelnen. Außerdem unterstützte ich das Team durch Alternativformate wie Peer-Feedback oder durch gemeinsame Unternehmungen, die das, was während der Arbeit an Stärkung des Zusammenhalts nur schwer stattfinden kann, in der Freizeit erreicht. Auf diese Weise kann die innere Bindung im Team aufrechterhalten werden. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Frage, welches Besprechungsformat ich wann anwende: Wann gehe ich eher ins Virtuelle, wann mache ich Präsenztermine? Ich muss da immer sehr stark gucken, um welche Themen es gerade geht und welches Werkzeug, welches Zusammenkommen an welcher Stelle Sinn macht. Die Klaviatur hat sich da deutlich erweitert. Wo man sich früher einfach zusammensetzte, muss ich heute überlegen, ob das Thema, um das es hier geht, für Homeoffice-Teilnehmende geeignet ist oder mir doch die Präsenz wichtiger ist. Dafür muss man ein Gespür entwickeln. Dazu kommt, dass ich es selbst jetzt, nach zwei Jahren Corona, immer noch täglich erlebe, dass in virtuellen Meetings irgendetwas technisch nicht klappt – bei irgendeinem hallt es, bei irgendeinem zuckelt das Bild, sodass wir uns leider Gottes oft Zeit nehmen müssen, bis wir mit dem Meeting überhaupt starten können. Die Wahl des richtigen Mediums ist ganz wichtig. Was nutze ich an welcher Stelle, wo brauche ich Präsenz, wo brauche ich keine – oder auch, wo brauche ich heute Präsenz, um das Thema dann in Zukunft auch virtuell fortführen zu können? Als Führungskraft muss ich sehr darauf achten, wie ich die Produktivität im Team hinbekomme – und dass die Mitarbeitenden sich mitgenommen fühlen.

Vertrauen entwickelt sich aus Transparenz

Welche kulturellen Rahmenbedingungen braucht hybrides Arbeiten?

Es braucht in erster Linie Vertrauen, und zwar Vertrauen entwickelt aus Transparenz. Transparenz halte ich im hybriden Arbeiten für noch einmal wesentlich wichtiger. So muss ich zum Beispiel in Meetings, in denen ein Teil der Teilnehmenden real da ist und ein Teil virtuell, verschiedene Sachverhalte, die im Raum passieren, den virtuell Zugeschalteten erläutern. Wenn also zum Beispiel im Raum auf einmal gelacht wird, dann muss ich dies als Moderator natürlich für die zugeschalteten Teilnehmer erklären. Oder Transparenz im Bereich der Tätigkeiten und Arbeitsstände durch den Einsatz von Kanban-Boards. Man braucht in hybriden Strukturen einfach wesentlich mehr Transparenz im Miteinander und in den Aufgaben – Transparenz über Entscheidungen, über Vorgänge und über Hintergründe. Als IT-Management haben wir uns schon weit vor Corona verschiedene Tools angeeignet, die uns auch jetzt in der Corona-Zeit extrem geholfen haben. So haben wir beispielweise ein sogenanntes Status-Tool für uns entwickelt, in dem für jeden abzulesen ist, dass ich in diesem Augenblick mit Ihnen im Interview bin. Jeder sieht von jedem, wo er sich gerade aufhält und warum. Mit diesem Tool haben wir in unserem Team ein gewisses Alleinstellungsmerkmal im Unternehmen; von anderen Teams in anderen Abteilungen wird es zum Teil als zu transparent empfunden. Für mich jedoch ist Transparenz ein elementares Instrument meiner Führung, ich teile nahezu alles mit dem Team: Entscheidungen werden von mir begründet oder im Idealfall mit dem Team im Konsentverfahren gefasst. Ich versuche in meiner Führung Ansätze der Holokratie einzubringen, und das funktioniert sehr gut.

Was weiterhin wichtig ist, ist das Thema Teamkultur und Team Commitment. Wir stellen unsere Teamkultur regelmäßig auf den Prüfstand. Insbesondere dann, wenn jemand aus dem Team geht und es eine Trauerphase, das Gefühl von Verlust, gibt. Oder jemand neu in das Team kommt und zunächst Vorbehalte demjenigen gegenüber bestehen. Da gibt es Mechanismen und Methoden, die ich einsetze, um das Team nach der Norming- und Storming-Phase konstruktiv durch den Forming-Prozess zu bringen. Ein symptomatisches Beispiel dafür sind kulturelle Absprachen: Was erwarten wir voneinander an Verhaltensweisen, welche Regeln wollen wir einhalten, welche konkreten Bedürfnisse haben wir und welche Arbeitsweisen wünschen wir uns? Das sind Aspekte, die wir in unserem Team Commitment mit verankern – dass wir auch untereinander Klarheit darüber herstellen, was jedem Einzelnen wichtig ist und daraus eine Gesamtheit bilden. Damit konzentrieren wir uns gerade nach einem Change wieder auf uns und bieten neuen Menschen im Team gleich eine Orientierung, aber auch die Möglichkeit, sich einzubringen.

Offenheit ist ebenfalls etwas, das die Kultur braucht. Das heißt zum Beispiel auch, dass ich meine Fehler dem Team gegenüber anspreche, eingestehe und dafür natürlich auch um Entschuldigung bitte. Ich denke, neben Respekt und Wertschätzung ist eine der wichtigsten Grundhaltungen einer Führungskraft die Bescheidenheit. Ich darf mich nicht über das Team stellen, sondern bin Teil des Teams und diskutiere auf Augenhöhe mit. Nur so erhalte auch ich ein ehrliches Feedback, werde akzeptiert und respektiert.

Transparenz, Offenheit, Respekt und den Rahmen für den Mut zu schaffen, Dinge sagen zu können, das alles ist wirklich von großer Bedeutung.

So legen wir das kulturelle Fundament für unser Teamplay und damit auch für hybrides Arbeiten.

Wie stellen Sie Innovation innerhalb hybrider Arbeit sicher?

Für Innovation brauche ich die Menschen; Innovationen entstehen einerseits aus aktuellen Fragestellungen und Herausforderungen, aber auch aus spontanen Situationen oder Erlebnissen. Für Innovation müssen meines Erachtens die Grundlagen geschaffen sein, das heißt, man braucht Spaß, starre Rahmenbedingungen müssen reduziert werden, es darf einfach kein enges Korsett geben, es muss der Freiraum da sein, „schräg“ denken zu können. Dafür nutze ich dann tatsächlich die Präsenz. Das funktioniert für mich – da mag ich „old school“ sein – virtuell nicht so gut. Allein schon deshalb, weil man sich in manchen Situationen zu sehr mit der Technik des jeweils eingesetzten Tools beschäftigen muss. Andererseits finde ich nichts einfacher, als die „alten“ Medien zu nutzen, die ich permanent und ohne Strom dahabe: Ein Flipchart, ein Whiteboard, Papier oder Post-Its – all diese Dinge, die es auch in den Kreativräumen gibt. Es muss alles existent, permanent verfügbar sein und meinen Fokus auf dem Thema halten. Und wenn ein Whiteboard oder Flipchart gerade nicht greifbar ist, dann schreibe ich auch mal auf Schränken oder Türen. Ich versuche wirklich viel digital zu machen; Innovation jedoch versuche ich nach Möglichkeit in Präsenz zu machen.

Soziale Isolation aufbrechen

Was fällt Ihnen zu folgenden Schlaglichtern ein:

Soziale Isolation: Die Arbeit im Homeoffice oder anderswo kann, neben allen positiven Aspekten, auch in die soziale Isolation führen – wie wirken Sie sozialer Isolation Ihrer Mitarbeitenden entgegen?

Wir haben bereits vor Corona sehr viel gemacht. So haben wir zum Beispiel unseren jährlichen „IT-Athlon“, eine Art Dreikampf mit Disziplinen wie Kartfahren, Bouldern oder Lasertag. Im letzten Sommer gab es auch wieder ein Sommerfest. Das fand bei Kollegen statt und wir haben uns mit unseren Familien getroffen, sodass auch die Familien bis hin zu den Kindern einmal sehen, mit welchen Menschen wir die meiste Zeit des Tages verbringen. In diesem Monat werden wir boßeln. Hinzu kommen viele weitere Events wie zum Beispiel das „Feierabend-Bier“ oder Spielenachmittage. Zusätzlich habe ich verschiedenste Formate, die ich unmittelbar im Team umsetze, wie beispielsweise die Teamrunde, die alle 14 Tage stattfindet, und zwar in Präsenzpflicht, damit man sich auch wirklich einmal sieht. In diesen Runden wird über strategische Themen und alles, was das Team und die Sparkasse Lüneburg betrifft, gesprochen. Dann haben wir unsere wöchentlich stattfindenden Stand-ups, da geht es um operative Inhalte: Was habe ich konkret getan, was habe ich vor zu tun, was lief gut und ging es mir gut oder nicht so gut?! Diese Stand-ups machen wir ausschließlich in virtueller Form. So haben wir verschiedenste Formate mit den verschiedensten Aspekten, um soziale Isolation aufzubrechen.

Selbstmanagement und Verantwortungsübernahme: Hybrid Work setzt ein hohes Maß an Selbstmanagement und Verantwortungsübernahme der Mitarbeitenden voraus – wie bauen Sie diese Kompetenzen Ihrer Mitarbeitenden auf?

Indem ich konkrete Angebote oder Vorschläge mache. Im Rahmen unserer Jour Fixe, die meistens in Präsenz stattfinden, sprechen wir offen über fachliche und persönliche Themen und damit auch über Selbstmanagement im Homeoffice. In diesen Terminen reflektiere ich auch, wie es mir selber mit den Herausforderungen des Homeoffice geht und wie ich diese bewältigt habe. Und ich frage die Mitarbeitenden: Wie regelst du das für dich, was ist deine Strategie, damit umzugehen? So kommen wir ins Gespräch und können gemeinsam mögliche Problemfelder identifizieren und Lösungsansätze entwickeln.

Wir sprechen aber auch in Teamrunden offen über Risiken des Arbeitens im Homeoffice und über Lösungen. Durch den Austausch haben bereits betroffene Mitarbeitende und Mitarbeitende, die womöglich erst noch in die Situation kommen, das notwendige Rüstzeug.

Zusätzlich schärfe ich mein Bewusstsein zu dieser Fragestellung anhand von aktuellen Studien und Veröffentlichungen. Auch diese Erkenntnisse fließen in Teamrunden ein und werden mit dem Team geteilt.

Selbstorganisation von Arbeitszeit und Arbeitsort: Hybrid Work steht in starkem Maße für die Selbstorganisation von Arbeitszeit und Arbeitsort – wie gehen Ihre Mitarbeitenden, wie gehen Sie selbst damit um?

Dazu bin ich mit jedem individuell und ständig im Gespräch, um das richtige Maß zu definieren und Anpassungen vorzunehmen. Außerdem gibt es regelmäßige Retrospektiven. Hier bewerten wir das aktuelle Vorgehen und identifizieren Anpassungsbedarf. Die Retrospektiven sind mindestens jährlich bzw. jetzt in Corona-Zeiten auch häufiger. Wichtig ist auch hier wieder, dass alles im Team ausgetauscht wird und dadurch transparent ist. Ich möchte zur Verdeutlichung ein Beispiel nennen. Wenn unvorhergesehene technische Probleme auftreten, müssen Mitarbeitende ad hoc Hilfe leisten und dafür teilweise auch Filialen aufsuchen. Dieser Service wird dann ausschließlich von den anwesenden Mitarbeitenden geleistet. Das reißt sie aus ihrer eigentlichen Tagesplanung und sorgt für einen gewissen Ärger den Mitarbeitenden gegenüber, die sich im Homeoffice befinden und nicht von solchen Aufträgen betroffen sind. Diese Sachverhalte kommen dann in Retrospektiven zur Sprache und wir finden gemeinsam einen Weg für die Zukunft.

Vertrauen in hybriden Strukturen: Vertrauen ist und bleibt die Basis erfolgreicher Zusammenarbeit, auch in hybriden Arbeitsstrukturen – wie entwickeln Sie das Vertrauen innerhalb Ihrer Teams und zwischen Team und Führungskraft?

Wie bereits angesprochen resultiert Vertrauen aus Transparenz und Kalkulierbarkeit. Daher braucht es verlässliche Absprachen, Transparenz über die derzeitigen Aufgaben und die jeweils persönlichen Situationen sowie den Rahmen, Störgefühle ansprechen zu können. Diesen Rahmen versuche ich zu geben.

Der Einzigartigkeitsaspekt ist wichtig

Feedbacks: Ein weiterer wichtiger Baustein erfolgreicher Zusammenarbeit sind Feedbacks – wie geben Sie Feedbacks, wenn Sie es nur online tun können?

Mein Begriff dafür ist „Resonanz“. Für mich hat der Begriff Feedback einen leicht negativen Klang. Meine Arbeitsweise sieht so aus, dass ich schaue, welche Möglichkeiten agile Arbeitsformen mit sich bringen und welche davon zum Team passen könnten. So habe ich zum Thema Feedback beispielsweise einen Resonanzraum ins Leben gerufen: Jeder Mitarbeitende lädt drei andere Mitarbeitende ein, und die geben ihm dann Feedback – was er aus ihrer Sicht gut macht, was sie sich noch besser wünschen und, vor allem, was ihn aus ihrer Sicht einzigartig macht. Gerade dieser Einzigartigkeitsaspekt ist mir sehr wichtig, denn er führt dazu, sich mit den Menschen im Team wirklich intensiv auseinanderzusetzen. Das führte teils sogar zu starken Emotionen der Erleichterung, weil über den Einzigartigkeitsaspekt auch gegenseitige Vorbehalte aufgelöst wurden. Ich selbst bin in diesen Resonanzräumen grundsätzlich nicht dabei, weil ich festgestellt habe, dass in meinem Beisein meist nicht offen gesprochen wird. Es gab von mir jedoch vorab Schulungen über wertschätzende Feedbacks und gewaltfreie Kommunikation, also eine Art Briefing für das Abgeben von Feedbacks innerhalb von Teams. So konnte ich gewährleisten, dass Rückmeldungen auch wertschätzend erfolgten. Ich selbst gebe Feedbacks, oder Resonanz, im Rahmen der Einzelgespräche.

Produktive Teamkultur: Auch über verschiedene Arbeitsorte hinweg brauchen Teams eine gute Teamkultur, um produktiv zu sein – wie entwickeln Sie die Teamkultur dislozierter Teams?

Neben dem Thema Transparenz sind in meinem Team Wertschätzung, Mut, Offenheit und die Einbeziehung aller und ihrer Meinungen wichtig und prägend. Aus der Soziokratie habe ich das Konsent eingeführt, das heißt, dass auch auf die Bedenken geschaut wird: Warum will ich etwas nicht, was hindert mich daran, einer Sache zu folgen, was sind meine Beweggründe dahinter? Auch die Auseinandersetzung mit diesen Beweggründen fördert die Teamkultur. Hinzu kommen die gemeinsamen Veranstaltungen, die ich bereits ansprach. Und was mir ganz wichtig ist, als Führungskraft selbst bescheiden zu bleiben. Das Team ist der Star!

Psychische Belastung und Stress: Neben allen Vorteilen birgt Hybrid Work die Gefahr ungewöhnlicher psychischer Belastung und Stress – wie gehen Sie mit betroffenen Mitarbeitenden um, und wie vermeiden Sie selbst psychische Belastung und Stress?

Meine erste Frage in einem Jour Fix ist: Wie geht es dir? Das ist das Allererste. Wenn jemand sagt, gut, dann frage ich, warum? Es geht also immer darum, wie es jedem wirklich geht. Das ist enorm wichtig. Hierzu ein Beispiel: Wir hatten vor einiger Zeit eine Physiotherapeutin hier, die mit uns einen Workshop zum Thema „schlecht schlafen“ machte. Das Thema wurde aus dem Team heraus ausgewählt. Das ist eigentlich ein Tabuthema, denn mit Schlafstörungen outet sich keiner gern. Andererseits ist guter Schlaf immens wichtig. Der Workshop zeigte, wie man besser einschläft oder auch durchschläft. Ich bin dankbar dafür, dass im Team auch gesundheitliche Themen, die vielleicht nicht so en vogue sind, offen angesprochen werden.

Dispositionen: Ebenso wichtig ist es, dispositive Strukturen in hybride Arbeit einzubinden, also Absprachen über Arbeitszeiten und Arbeitsorte zu treffen – wie funktionieren diese Absprachen bei Ihnen?

Das machen wir sowohl über unser Status-Tool als auch in direkter Absprache. Wenn wir grundsätzlich etwas zu Arbeitszeiten, zum Beispiel Spätdiensten, klären, dann wird das in unseren Teamrunden erörtert, diskutiert, mit allem Für und Wider. Andererseits ist auch jeder Einzelne gefordert, eine Veränderung von Arbeitszeit oder Arbeitsort mit seinen unmittelbar betroffenen Kollegen abzusprechen. Es braucht immer das Commitment der betroffenen Mitarbeitenden, denn nur so werden diese mitgenommen, und aus der Autonomie in der Zustimmung entsteht Akzeptanz für die Situation und Engagement, wenn es mal enger wird.

Strategische Planung: Hybrid Work setzt eine sorgfältige strategische Planung voraus, welche Aufgaben vor Ort und welche online erbracht werden können – wie gehen Sie diese strategischen Planungen an?

Alles Konzeptionelle, Kreative, im weiteren Sinne Innovative möchte ich gern in Präsenz erledigt haben, ebenso auch Abstimmungen und alles, was strukturell das Team betrifft. Alles was dann operativ und daily business ist, aber auch Probleme, die dabei entstehen, das geht auch virtuell.

Herzlichen Dank, Oliver Rehbein, für diese vielfältigen Einblicke in Ihre Erfahrungen mit hybriden Arbeitsstrukturen im IT-Team der Sparkasse Lüneburg!

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