Jessica Wittbrock, Landesinstitut für Lehrerbildung Hamburg
Ich arbeite im Landesinstitut für Lehrerbildung, Hamburg, und dort in der Abteilung Personalentwicklung/Führungskräfteentwicklung. Wir sind zuständig für alle Lehr- und schulischen Führungskräfte im Bundesland Hamburg, die ihre Berufseingangsphase hinter sich haben. Wir machen, relativ klassisch, Personalentwicklung: Die KollegInnen können bei uns ihre Fortbildungsverpflichtung (so heißt es leider) einlösen zu allen überfachlichen Themen, wie z.B. Gesprächsführung, Umgang mit Konflikten, Teamarbeit, Karriereambitionen etc. Eine Besonderheit ist, dass die Gruppen, die wir betreuen, schulübergreifend zusammengesetzt sind.
Aktuell beschäftigt mich das Thema „Schule der Zukunft“ und wie Personalentwicklung idealerweise darauf einzahlen kann. Dazu gehören Fragen wie: Wie soll die Schule der Zukunft aussehen, inhaltlich, aber auch räumlich? Gibt es dafür eine Vision – oder hoffen wir einfach, dass alles irgendwann wieder so wird, wie vorher? (Ich hoffe nicht.) Doch wie ist der visionäre Überbau? Ich sehe zahlreiche Ansätze, die vor allem außerhalb der Schule erarbeitet werden, während in den staatlichen Schulen von wirklich grundlegender, strategischer Veränderung wenig ankommt. Mich beschäftigt in dem Zusammenhang das Thema Leadership. Leadership auch verstanden als Mindset, das sich auf das eigene Verständnis meiner Rolle und Funktion als Lehrerin und Lehrer bezieht. Was wären unsere Schulen für wunderbare Orte, wenn sich LehrerInnen als Leader verstehen und entsprechend verhalten würden? Als drittes Top-Thema beschäftigt mich unserer Art und Weise Personalentwicklung zu betreiben. Wie können wir hier eine Öffnung, Vernetzung zur Außenwelt erreichen und Mitgehen, mit modernster Personalentwicklung, wie sie beispielsweise in der freien Wirtschaft betrieben wird. Aus meiner Sicht sollte im Bildungssystem in lebenslanges Lernen und persönliche Entwicklung maximal investiert werden. Wir sollten immer von den Besten Lernen. (Deshalb ja auch mein Projekt – Die Bildungsgarage. Das ist der Versuch genau das zu tun. Schule und Wirtschaft zu vernetzen und voneinander zu lernen.)
Was die Arbeit innerhalb dieser Organisation für mich reizvoll macht, ist das Gefühl, dass sie sinnhaft ist. Wir tun etwas für Bildung und investieren in die Zukunft, indem wir in die nachfolgenden Generationen investieren. Ich sehe den Bedarf an Veränderung und Verbesserung, bin gern Teil davon und versuche mein Möglichstes, um dazu beizutragen, dass Schule sich in eine gute Richtung weiterentwickelt. Ich bin gerne im Kontakt und finde es spannend, zu schauen, wie sich der Einzelne entwickelt. Und es hat immer auch mit mir zu tun, denn auch ich lerne und entwickle mich durch meine Tätigkeit immer weiter.
Am meisten vermisse ich zurzeit eine wirkliche Veränderungsenergie in der Institution. Wenn sich etwas verändert, dann ist es meist eher reaktiv, nicht proaktiv. Ich würde mir wünschen, dass Vieles viel schneller ginge, dass mehr in Ermöglichung und Chancen gedacht würde und weniger in „Geht nicht, weil …“.
Was ich, verglichen mit der Zeit vor der Pandemie, klasse finde, ist die dadurch gezwungenermaßen stattgefundene Verlagerung ins Digitale, eine viel breitere Vernetzung und viel mehr Möglichkeiten, mit Leuten in Kontakt zu kommen. Neulich hatte ich einen Impulsvortrag organisiert, da waren ungefähr 200 Teilnehmer – das hätte ich so schnell und unkompliziert wie mit ZOOM analog gar nicht auf die Beine stellen können. Jetzt frage ich mich: Warum hat man das nicht schon vorher gemacht? Ich persönlich habe mich extrem weiträumig vernetzt, viel weiter als ich es vorher in der Geschwindigkeit getan habe. Auch auf der Gegenseite war das alles niedrigschwelliger und ich habe das Gefühl, dass die Leute durchweg mehr Zeit haben. Die Gesprächsbereitschaft und die Erreichbarkeit waren im letzten Dreivierteljahr sehr hoch, so mein Eindruck.
Am meisten freue ich mich auf ein Gefühl der Unbeschwertheit, also nicht mehr irgendwen treffen zu müssen in der Sorge: Stecke ich jemanden an, bin ich eine Gefahr für andere? Ebenso auf den persönlichen Kontakt, das Gefühl von Gruppendynamik im Raum und echte Begegnung. Auf das Erkunden von anderen Räumen, statt immer nur ins Laptop zu gucken. Ich fände es schön, wenn sich die beiden Welten miteinander verbinden würden und die Effektivität, die durch Online entsteht, da wo es Sinn macht auch zukünftig genutzt würde. Das ist auch meine Traumvorstellung von Schule: Schule als ein offenes Bildungshaus. Dass die Dinge unkomplizierter und individueller zugeschnitten werden können. Natürlich gibt es Schüler, die extrem gelitten haben unter der letzten Zeit, das ist traurig und hätte nicht zwingend sein müssen. Ich sehe aber auch Schüler, die davon durchaus profitiert haben und die, so meine These, nicht weniger Lernzuwachs hatten, im Gegenteil. Es wäre eine schöne Zukunftsperspektive, dass man Schule weiter und auch in Vernetzung denkt. Gelernt wird ja nun mal überall
Den Teamzusammenhalt fördern wir in diesen Zeiten verteilter Arbeit durch eine starke Selbstorganisation, was einerseits Freiraum für Kreativität schafft. Andererseits hätte ich mir manchmal etwas mehr Führung gewünscht, im Sinne von: Wie verstehen wir uns jetzt als Team, was probieren wir vielleicht einmal aus – und vielleicht nehmen wir die Situation zum Anlass, über unsere Definition moderner Personalentwicklung nachzudenken? Im Grunde bleibt ja das Gleiche wichtig, wie vorher: Ein gutes Maß zu finden, zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen und der Organisation der Arbeit in Bezug auf das gemeinsame Ziel und gewünschte Ergebnis. Rücksicht zu nehmen auf die verschiedenen Lebensrealitäten der Mitarbeiter. Ein Schlüssel zum Glück ist aus meiner Sicht, Beziehungen herzustellen, und das simpelste Tool dazu, einfach mal fragen.
Mein Tipp ist: Bleibt neugierig, bleibt interessiert. Habt keine Angst, Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen, denn dies wird sicher nicht die letzte große Veränderung sein, die wir zu bewältigen haben. Ein weiterer Tipp ist, in die Selbstverantwortung zu gehen: Was brauche ich, um in der Situation gut zurechtzukommen und meine Arbeit gut machen zu können? Und das dann auch zu erbitten bzw. einzufordern. Und gleichzeitig immer wieder zu gucken, was kann ich einbringen, was kann ich geben.