Im Arbeitsraum der Zukunft

Wieder einmal kamen die Teilnehmenden der LeadershipGarage zum interaktiven Austausch in ihrem Innovation Space zusammen. Mit diesem Format bietet die LeadershipGarage regelmäßig wissenschaftlichen Input zu aktuellen Themenschwerpunkten, ermöglicht das Kennenlernen neuer Arbeitsmethoden, Vernetzung und gegenseitige Einblicke in die Unternehmenspraxis. Dieses Mal beschäftigten sich die Teilnehmenden mit der Frage, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten, in realen Räumen, virtuellen Arbeitswelten oder hybriden Modellen, und wie wir uns dazu nicht nur räumlich, sondern auch gedanklich, organisatorisch und kulturell auf einen veränderten neuen Arbeitskontext einstellen müssen. Dazu begaben sie sich in einen Futurizing Workshop und trafen hier unter anderem auf Dr. Markus Durstewitz und Rainer Figallo, beide Airbus, die in einem Impuls-Dialog ihre Erfahrungen und Gedanken zum Arbeiten im “Office” der Zukunft teilten.

Live aus dem Airbus-Werk in Hamburg Finkenwerder: Im Dialog mit Dr. Markus Durstewitz und Rainer Figallo

Als Transformation Igniter ist Rainer für die menschlichen Aspekte innerhalb der Transformationsvorgänge bei Airbus zuständig. In dieser Funktion kann er vieles ausprobieren, vieles lernen und gemeinsam mit seinen Kollegen umsetzen. Markus ist seit über zehn Jahren im Innovationsmanagement von Airbus tätig. Seine Aufgabe ist es, Menschen zur Innovation zu befähigen. Zu den relevanten Eckpfeilern dieser Befähigung zählen neben der Motivation durch gemeinsame Ziele sowie die notwendigen Tools und Methoden und im besonderen Maße auch die Rahmenbedingen für mehr Kollaboration und Co-Kreation. Dazu zählen schließlich auch die Räume – sowohl im Sinne der gedanklichen wie auch der physischen (Frei)Räume.

Raum zum Denken, Raum zum Handeln

Für Markus und Rainer ist klar: Räume können beides – sie können das Denken und Handeln von Menschen enorm einschränken, aber auch enorm erweitern. Und die Bedeutung der Räume, in denen wir arbeiten, ist gerade durch den aus der Pandemie erzwungenen Wechsel vom Office ins Home-Office noch einmal stärker ins Bewusstsein gerückt: Plötzlich erkennen Menschen, dass ein örtlicher Wechsel des Arbeitsplatzes auch eine Veränderung der Arbeit selbst mit sich bringt und dass das Arbeiten im Home-Office neben allen damit verbundenen Problemen ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Sein eigenes Büro beschreibt Rainer sogar als „Büro in einem Rucksack“, darin ist alles, was er braucht: Kamera, Lautsprecher, Laptop.

Ob im Rucksack oder daheim: So oder so ist in Bezug auf das Arbeiten an anderen Orten heute ein neues Niveau erreicht, es gab einen digitalen Schub mit einer steilen Lernkurve, und die völlige Rückkehr ins Office der Vergangenheit scheint keine Option mehr zu sein. Umso mehr rücken dadurch die individuellen Präferenzen in den Fokus: Wer kann tatsächlich wo am besten arbeiten? Alle unter einen Hut zu bringen, wird nicht möglich sein. Stattdessen wird es darum gehen, zu erkennen, wem welcher Hut am besten passt und wie die Arbeitsumgebung individuell und entsprechend der jeweiligen Arbeitssituation flexibel angepasst werden kann.

Diese organisatorische, psychologische und soziale Ebene ziehen Rainer und Markus dabei auch in ihre virtuellen Arbeitsräume ein: Sie beschreiben, wie sie die ersten Minuten jedes virtuellen Meetings dazu nutzen, die Teilnehmenden überhaupt erst einmal in diesem Meeting ankommen zu lassen, ihnen Zeit zu lassen, persönlichen Ballast loslassen zu können, zur Ruhe zu kommen – und dadurch Spannungen abzubauen. Die so verbrachte Zeit wird im Nachgang dann leicht wieder aufgeholt, weil die Teilnehmenden nach dieser Phase der Entspannung viel konzentrierter und effektiver arbeiten können.

Auch in Bezug auf die Innovationsentwicklung, die in Markus‘ Aufgabengebiet fällt, kommt dem Raum eine besondere Bedeutung zu. Aus den Bereichen der Kognition und Psychologie weiß er, dass Menschen gewohnt sind, in Räumen zu denken. Das macht es schwierig, sich innerhalb ein und desselben Raumes von Gedanken zu lösen und zwischen verschiedenen Themen zu wechseln. Gerade dieser psychologische Effekt macht dedizierte Innovations-, Kreativ- und Projekträume so sinnvoll: Spezifische Arbeiten brauchen spezifische Werkzeuge, Methoden UND Räume. Der physische Wechsel erleichtert das gedankliche Umschalten von einem Thema zum anderen. Und gerade diese Erkenntnis erklärt auch ein Problem des Arbeitens im Home-Office: Hier ist meist gar kein dedizierter Raum als „Home Office“ verfügbar, sondern der Raum ändert seine Funktion, ohne dass ein räumlicher Wechsel vollzogen wird, d.h. dass er dafür physisch oder zumindest deutlich wahrnehmbar angepasst wird, der Privat- wird zum Arbeitsraum. Paradoxerweise kann man gerade auf diesem „kurzen Weg“ schnell verloren gehen.  Eine Herausforderung der Zukunft wird es sein, hier alternative Möglichkeiten des bewussten „Raumwechsels“ zu entwickeln.

Aus Facility- wird Innovations-Management

Ein Beispiel von Markus zeigt, wie wichtig es ist, wirklich alle Beteiligten von Anfang an in die Planung künftiger Arbeitsräume einzubeziehen, und zwar insbesondere auch diejenigen, die später für die praktische Umsetzung der Raumgestaltung zuständig sind. Auch wenn das Facility Management bzw. der ausführende Bauträger praktisch am Ende der Gedankenkette steht, muss doch gerade dieser Bereich die Idee verstanden haben, um neue Raumkonzepte jenseits des Gewohnten Wirklichkeit werden zu lassen. Hier gilt es stets, zwei konkurrierende Seiten zu vereinen: Auf der einen Seite steht das aus Effizienzgründen (Erstellungskosten) favorisierte Standardoffice, auf der anderen Seite soll über möglichst flexible Raumkonzepte, Veränderung und Innovation angestoßen und dadurch maximale Effektivität (Nutzen) erzielt werden.

Um aus diesen konkurrierenden sich ergänzende Aspekte zu machen, hat Airbus innerhalb des Facility Managements einen “Innovationspartner” benannt, um die Zusammenarbeit von Nutzern, Designern und Innenarchitekten systematisch zu fördern. Ein Beispiel für die Fruchtbarkeit einer solchen Zusammenarbeit sind die an allen größeren Standorten entstandenen IdeaLabs (Kreativräume für Co-Kreation) und FabLabs (Prototypenwerkstätten). Außerdem sind Co-Working Bereiche ausgewiesen worden, die die Zusammenarbeit von Mitarbeitenden über Bereichsgrenzen hinweg ermöglichen. Ebenso kann die bisher auf jeder Etage übliche isolierte Standardkaffeeküche aus ihrem bisherigen Schattendasein befreit und in eine unternehmensübergreifende, gemeinsame und für alle offene Lounge umgewandelt werden, in der soziale Interaktion und Serendipity Platz finden. Sollen dafür keine eigenen Investitionen fließen, kann eventuell ein externer Partner für diesen Coffee-Lounge-Bereich gewonnen werden. Über solche Herangehensweisen können mit ein und demselben Budget auch kreative Lösungen jenseits des Standards gelingen – und aus vorherigen Bruchstellen zwischen den verschiedenen Zuständigkeiten wird ein „Living Organism“, der allen Aspekten, der Strategie, Ökonomie und des Facility Management gerecht wird.

Alles Wissen in einem Raum

Ergänzend zu den üblichen Büros gibt es bei Airbus schon lange auch die sogenannten Projektplateaus. Das heißt, dass alle, die an einem Projekt arbeiten, jeweils in dem dazugehörigen Projektraum zusammenkommen. Am besten werden bei der Aufstellung eines solchen Plateaus alle Mitarbeitenden frühzeitig in das Design dieser Räume eingebunden und können so von Anfang an ihre Vorstellungen und Ideen zu den zu erwartenden Arbeitssituationen als Anforderungen formulieren. Dies kann zunächst erst einmal in kleineren Testbereiche eingeführt werden, in denen Teams zum Beispiel dann die neue Technik und neue Arbeitsweisen ausprobieren und validieren können, auch wie sie sich in diesem neuen Umfeld fühlen. Mit diesen Projektplateaus werden bereichsübergreifende, multifunktionale Zusammenarbeit realisiert von einzelnen Teams bis hin zu Programmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Und ein solches Projektplateau kann ein physischer wie auch ein virtueller Raum sein.

Das ist auch wirklich notwendig, denn in die Zukunft geschaut, sind Markus und Rainer der Meinung, dass es eines bald kaum noch geben wird: Dass alle Menschen, die zu einem Thema gebraucht werden, sich immer im selben physischen Raum aufhalten werden. Wollen wir weiterhin das Wissen aller und deren kollektive Intelligenz nutzen, muss zusätzlich immer auch der virtuelle Raum bereitgehalten werden.

Der Arbeitsraum von morgen, das konnte aus diesem Impuls-Dialog live aus dem Airbus-Werk in Hamburg Finkenwerder mitgenommen werden, ist einerseits ein funktionaler und andererseits ein sozialer Raum, er ist ein Werkzeug und soll bestimmte Arbeitssituationen auch inhaltlich und qualitativ unterstützen, und das sowohl im realen wie auch im virtuellen Raum. Das Office der Vergangenheit wird es in der Zukunft nicht mehr geben. Ein Raum jedoch wird in jeder Phase dieser Transformation ganz wichtig bleiben – der „Safe Space“, der Raum des Vertrauens.

Vielen Dank Dr. Markus Durstewitz und Rainer Figallo für diese Einsichten in die Gestaltung unserer künftigen Arbeitswelten!

Hannah VergossenHannah Vergossen
Institut für Performance Management

Digitaler Fingerabdruck:
„Try out and fail fast“ – Unternehmen brauchen agile Prozesse und eine ausgeprägte Fehlerkultur um im Wettbewerb bestehen zu können.

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