Die digitale Zukunft setzt in Unternehmen ein verändertes Mindset und eine neue Gestaltung der Arbeitsprozesse in Gang und ist insbesondere auch von der Innovationsfähigkeit der Unternehmen abhängig. Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, brauchen Unternehmen vor allem eine angepasste Kultur, die die erforderlichen neuen Fähigkeiten und Schlüsselkompetenzen fördert, fest verankert und weiterentwickelt. In einer digitalen Kultur sind demnach genau jene Merkmale enthalten, die Unternehmen in der digitalen Welt erfolgreich machen und deren Ausgestaltung vor allem den Führungskräften obliegt.
Seit langem ist bekannt, dass eine positiv gestaltete Unternehmenskultur die Basis für den Erfolg eines Unternehmens darstellt. Zukünftig wird aber die gelungene Digitalisierung von Unternehmensprozessen einen weiteren erfolgskritischen Aspekt für den Unternehmenserfolg bilden. Dabei ist die Grundannahme, dass das Gelingen der Digitalisierung ebenfalls von bestimmten Merkmalen der Unternehmenskultur abhängt und ihrerseits maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausübt.
Die Studie
Auf der Suche nach Wegen, wie Unternehmen die Herausforderungen der digitalen Zukunft meistern können, kommen vor allem die sich wandelnden Arbeitsformen, Geschäftsprozesse, Denk- und Handlungsweisen in den Blick. Ohne eine Unternehmenskultur, die diese neuen Bedingungen nutzt, wird ein Unternehmen nicht mehr erfolgreich sein können. Was aber zeichnet eine solche Digitale Kultur aus – und welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Kultur und dem Erfolg eines Unternehmens? Das hat die LeadershipGarage jetzt in einer Studie zum „Digital Culture Fit“ untersucht. Die Befragung wurde in Kooperation mit der Personalberatungsgesellschaft Odgers Berndtson im Rahmen des Manager-Barometers 2018/19 durchgeführt. Befragt wurden 2.460 Führungskräfte aus dem Executive Panel von Odgers Berndtson im Zeitraum August bis September 2018.
Basis: die Kulturmerkmale
Die Unternehmenskultur als Basis des Unternehmenserfolgs wurde durch insgesamt 41 unterschiedliche Kulturmerkmale erfasst. Die Führungskräfte wurden danach gefragt, wie sie aktuell die Ausprägung dieser Merkmale in ihrem Unternehmen einschätzen (IST) und welche Bedeutung sie zukünftig für das Unternehmen besitzen werden (SOLL). In ihrer Gesamtheit umfassen diese Kulturmerkmale sowohl traditionelle Merkmale wie auch diejenigen der neuen, schnellen, agilen digitalen Arbeitswelt. Die eher traditionellen Merkmale repräsentieren beispielsweise Leistungserwartung, Ergebnisorientierung, Qualitätsbewusstsein, Kundenorientierung und Arbeitsplatzsicherheit – also all jene vertrauten Merkmale, die schon immer gewirkt und Unternehmen in Deutschland groß gemacht haben. Zu den neuen Merkmalen zählen beispielsweise Risikobereitschaft, Agilität und Flexibilität, die schnelle Nutzung von Chancen und freier Informationsaustausch.
Die erfassten 41 Merkmale konnten mit Hilfe eines statistischen Verfahrens (Faktorenanalyse) verdichtet und somit leichter interpretierbar gemacht werden. Im Ergebnis dieser Analyse zeigte sich, dass die Merkmale nunmehr drei unterschiedlichen Bereichen zugeordnet werden können:
- Innovation Mindset: Kulturmerkmale, die wichtig sind in der zukünftigen, innovativen und agilen Unternehmenswelt wie zum Beispiel Agilität und Flexibilität, übergreifende Zusammenarbeit, schnelle Nutzung von Chancen, Innovativität.
- Performance Mindset: Kulturmerkmale, die Leistung und Ergebnisorientierung in den Vordergrund rücken.
- Social Mindset: Kulturmerkmale, die das Wohl der Mitarbeitenden und deren Bedürfnisse sowie stabile Strukturen im Blick haben.
War man bisher davon ausgegangen, dass die Merkmale der neuen digitalen Arbeitswelt in deutschen Unternehmen die eher traditionellen Kulturmerkmale ablösen, so belehrt die aktuelle Studie der LeadershipGarage eines Besseren. Im Vergleich zwischen den Ist- und Soll-Ausprägungen sind es zwar vor allem die Merkmale aus dem Innovation Mindset, bei denen die Führungskräfte einen besonderen Entwicklungsbedarf sehen: Sie wünschen sich eine stärkere Ausprägung etwa in Bezug auf Agilität und Flexibilität, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und schnelle Nutzung von Chancen, Innovativität, Lernkultur und Transparenz in ihren Unternehmen. Jedoch sollen diese neuen Ausprägungen keineswegs zu Lasten aller traditionellen Merkmale gehen – im Gegenteil: Die befragten Führungskräfte wünschen sich eine hohe Ausprägung der neuen digitalen Merkmale und ebenso der eher traditionellen Kulturmerkmale.
Aus Sicht der befragten Führungskräfte stellt die zukunftsfähige Unternehmenskultur einen Mix aus neuen und traditionellen Kulturmerkmalen dar.
Wirkung: der Digitalisierungsgrad
Eine aktuelle Frage ist, inwiefern die Digitalisierung in Unternehmen mit der Unternehmenskultur in Beziehung steht. Hierzu war es zunächst wichtig zu erfassen, wie weit Unternehmen in Sachen Digitalisierung bereits vorangeschritten sind. Dieser Digitalisierungsgrad wurde durch einen Gesamtindex erfasst, der sich aus vier einzelnen Fragen zum Stand der Digitalisierung zusammensetzt und Werte zwischen 1 (sehr geringer Digitalisierungsgrad) und 5 (sehr hoher Digitalisierungsgrad) erreichen kann: Gefragt wurde nach dem Einfluss des Digitalisierungsgrades, nach der Zufriedenheit mit dem Digitalisierungsgrad, dem Ausmaß des Digitalisierungsgrades und den entsprechenden Investitionen.
Fast alle für die Studie befragten Führungskräfte schätzen den Einfluss der Digitalisierung auf ihr Unternehmen hoch ein. Mit dem tatsächlichen Stand der Digitalisierung in ihrem Unternehmen sind allerdings nur 18 % der Befragten sehr zufrieden oder eher zufrieden.
Sowohl das Ausmaß der bisherigen Digitalisierung (Mittelwert 2,94) als auch die aktuellen Investitionen der Unternehmen in den Bereich Digitalisierung (Mittelwert 3,13) werden mittelmäßig eingeschätzt.
Im Ergebnis zeigen sich bedeutsame Zusammenhänge zwischen der Unternehmenskultur und dem Digitalisierungsgrad. Der Merkmalsbereich „Innovation Mindset“ zeigt dabei den deutlichsten Zusammenhang mit dem Digitalisierungsgrad: Je stärker ausgeprägt die Kulturmerkmale dieses Bereichs sind, desto höher wird auch der Digitalisierungsgrad eingeschätzt. Aber auch die beiden anderen Merkmalsgruppen „Performance Mindset“ und „Social Mindset“ weisen positive, wenn auch schwächere Zusammenhänge mit dem Digitalisierungsgrad auf. Eine fortgeschrittene Digitalisierung ist also auch mit Leistungsorientierung und der Berücksichtigung von Mitarbeiterinteressen gut vereinbar.
Effekt: der Unternehmenserfolg
Entscheidend ist letztlich die Frage, inwiefern der Unternehmenserfolg nicht nur von den Kulturmerkmalen, sondern auch vom Digitalisierungsgrad abhängt und wie die Beziehung zwischen diesen drei Variablen genau aussieht. Der Unternehmenserfolg wurde anhand von vier Indikatoren für eine erfolgreiche Unternehmensarbeit erfasst: Marktperformanz, Umsetzung von Innovationen, Disruptionsfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit. Diese Indikatoren können Werte zwischen 1 (sehr geringer Erfolg) und 5 (sehr hoher Erfolg) erreichen.
Die befragten Führungskräfte bescheinigten ihren Unternehmen vor allem Erfolge in den Bereichen „Marktperformanz“ (Mittelwert 3,90) und „Mitarbeiterzufriedenheit“ (Mittelwert 3,49).
Demgegenüber fallen die Einschätzungen in den Bereichen „Umsetzung von Innovationen“ (Mittelwert 2,96) und „Disruptionsfähigkeit“ (Mittelwert 3,00) deutlich skeptischer aus.
Wie erwartet zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen der Unternehmenskultur und den Indikatoren des Unternehmenserfolgs. Zusätzlich wird aber deutlich, dass der Erfolg auch mit dem Digitalisierungsgrad zusammenhängt: Ein höherer Digitalisierungsgrad geht einher mit einer besseren Marktperformanz, mit einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit, mit einer höheren Disruptionsfähigkeit und einer häufigeren Umsetzung von Innovationen.
Insgesamt zeigt die Studie, dass im Hinblick auf eine erfolgreiche Unternehmenszukunft ein Drehen an einzelnen Stellschrauben in keiner Hinsicht ausreichend ist, sondern die einzelnen Merkmale ein komplexes Geflecht von Zusammenhängen bilden.
Die Unternehmenskultur beeinflusst den Digitalisierungsgrad – und der Grad der Digitalisierung korreliert positiv mit dem Unternehmenserfolg.
Fazit: Kultur beeinflusst Digitalisierung beeinflusst Erfolg
Es bestehen deutliche Beziehungen zwischen Merkmalen der Unternehmenskultur, dem Digitalisierungsgrad und dem Unternehmenserfolg. Dabei gehen insbesondere diejenigen Kulturmerkmale, die stellvertretend für das „Innovation Mindset“ stehen, mit einem höheren Digitalisierungsgrad einher. Der Digitalisierungsgrad wiederum steht in klarem Zusammenhang zu den Indikatoren für den Unternehmenserfolg: Je stärker und erfolgreicher die Digitalisierung in den Unternehmen vorangeschritten ist, desto besser fällt der Unternehmenserfolg aus.
Der Digital Culture Fit – messen, prüfen, optimieren
Die Ergebnisse der Studie erlauben es, Kulturmerkmale im Sinne eines Digital Culture Fits zu identifizieren, mit dem von nun an leicht zu messen sein wird, wie gut ein Unternehmen kulturell für die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt aufgestellt ist: Mit diesem Tool wird Unternehmen und Organisationen ein Benchmarking zu genau jenen Merkmalen ermöglicht, die den Digitalisierungsgrad und den Unternehmenserfolg maßgeblich mitbestimmen.
Durch den Vergleich mit der großen, bereits zur Verfügung stehenden Datenbasis kann dann identifiziert werden, in welchen Kulturbereichen für ein Unternehmen noch Optimierungsbedarf besteht, um Digitalisierung voranzutreiben und den künftigen Unternehmenserfolg zu fördern.
In Zukunft kann Unternehmen durch ein Benchmarking aufgezeigt werden, welche wichtigen Kulturmerkmale noch zu optimieren sind.
Dieser Beitrag erschien auch im Booklet „Innovativ unterwegs. Unternehmen entwickeln ihre Digitale Kultur“. Er ist ebenfalls in englischer Sprache abrufbar.