Dompteur für Big Data

Data Scientists sind Pioniere des digitalen Zeitalters. Sie entwickeln Algorithmen, mit deren Hilfe riesige Datenmengen (Big Data) für innovative Geschäftsmodelle aufbereitet werden. Studierende des MBA Performance Management haben einen Vertreter dieser Spezies in Hamburg kennengelernt.

„Jeder für sich allein war gestern“ lautet das Motto im betahaus Hamburg, eines Coworking Space, der mittlerweile über 340 Nutzer hat – Gründer, Freelancer, Teams größerer Unternehmen. Sie arbeiten und lernen gemeinsam, teilen Ideen, Wissen und Experimente. Hier ist das digitale Zeitalter angekommen: Viele innovative Geschäftsmodelle, die im betahaus diskutiert werden, drehen sich um Big Data. Im Rahmen des Seminars „Digitale Organisationen“ statten die Studierenden des MBA Performance Management zusammen mit der Leiterin des Instituts für Performance Management, Prof. Dr. Sabine Remdisch, dem betahaus einen Besuch ab. Sie wollen sich mit New-Work-Konzepten vertraut machen und hautnah erleben, wie Kreativität und Vernetzung in einer offenen Arbeitsumgebung funktionieren.

Studierende des MBA Performance Management im Betahaus Hamburg
Studierende des MBA Performance Management im Betahaus Hamburg lernen Insider-Informationen über Big Data kennen

Beruf: Data Scientist

Ein Highlight des Tages ist der Vortrag von Dr. Achim Tappe. Tappe hat einen Beruf, den vor zehn Jahren wahrscheinlich noch niemand kannte: Er ist Data Science and IoT Strategy Consultant. Dieser Verbindung von Datenmanagement und Wissenschaft gehört die Zukunft. Ein Data Scientist macht das Verhalten von Menschen vorhersagbar, indem er beispielsweise Einkaufsgewohnheiten auf der Basis einer Unmenge von Konsumdaten analysiert. Wer hat was wann wie und wo gekauft? Die Antworten auf diese Fragen lassen Rückschlüsse auf zukünftiges Kaufverhalten zu – das ist pures Gold für Supermarktketten oder Online-Händler.

Big Data hat viel mit technischen Grenzen zu tun. Eine Grenze, an die die Datenverarbeitung schon immer gestoßen ist, sind die verfügbaren Rechenkapazitäten. In der Zeit der ersten Computer war ein Megabyte ein schier unüberwindliches Gebirge. Schon damals hätte man durchaus von „Big Data“ sprechen können, meint Tappe. Heute liegen die Grenzbereiche, was die Rechenleistung betrifft, in anderen Gefilden. „Big Data ist quasi immer mitgewachsen“, sagt der Berater.

Dr. Achim Tappe wird von MBA-Studentin Nivea Lopes Gust interviewt
Dr. Achim Tappe wird von MBA-Studentin Nivea Lopes Gust interviewt

„Surfboard-Mentalität“

Wenn Tappe für einen Kunden arbeitet, versucht er stets, in vier Dimensionen zu denken: Daten, Technologie, Menschen und Unternehmenskultur. Auf jede dieser Dimensionen kommt es an, damit digitale Geschäftsmodelle den Praxistest bestehen. Wobei die kulturellen Aspekte oft unterschätzt werden. Dies fällt Tappe besonders auf, wenn er zwischen Projekten in Deutschland und den USA hin- und herschaltet. „Die Unternehmen gehen ganz unterschiedlich an Big Data heran“, erläutert er. „Kunden in den USA freuen sich, dass sie auf der Datenwelle reiten können. Ich nenne das die Surfboard-Mentalität. In Deutschland hingegen ist das Bild der Informationsflut prägend. Man hat Angst, in einem Datenozean unterzugehen.“

Analog könnte man Data Scientists entweder als Surflehrer oder als Fluthelfer bezeichnen. Sie unterstützen Unternehmen, deren Geschäftsmodelle aus großen Datenmengen schöpfen. Sie beraten bei der Auswahl der Algorithmen und der technischen Plattformen; sie begleiten die Mitarbeiter in die digitale Arbeitswelt; sie geben wichtige Hinweise, wie sich die Kultur des Unternehmens weiterentwickeln muss, um mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Dabei ist der Job eines Data Scientist zugleich sehr konkret. Beispiel: Ein Online-Händler will wissen, wie er den Verbrauchern optimalen Service bieten und zugleich seinen Umsatz steigern kann. Der Data Scientist fängt nun an, aus Daten der Vergangenheit das Kaufverhalten zu untersuchen: Auf welche Seite gehen Kunden zuerst hin? Wie lange bleiben sie dort? Was tun sie, bevor sie einen Kauf tätigen? Das Verhalten wird komplett „getracked“ und dadurch transparent. „In Deutschland ist natürlich der Datenschutz ein heikles Thema“, fügt Tappe hinzu. „In den USA sind die Leute in dieser Hinsicht entspannter.“ US-Amerikaner legen dort einen großen Wert auf eine optimale Kundenzufriedenheit.

Gruppenbild der Besucher des Betahaus Hamburg (Foto: Matthias Krome)
Gruppenbild der Besucher des Betahaus Hamburg (Foto: Matthias Krome)

Autos, die selbst fahren lernen

Doch was bedeutet überhaupt Data Science? „Für mich liegt die Betonung auf Science“, sagt Tappe. Wie in jeder Wissenschaft beruhe auch in seinem Metier alles auf Daten – sie werden erhoben, ausgewertet und in eine Prognose überführt. Also Science-Business as usual. Intelligente, selbstfahrende Autos sind mittlerweile ein Megatrend und längst forschen nicht nur die Zukunftsforscher von Google X an diesem Moonshot. Während am Anfang intelligente Navigationssysteme standen, entwickelte sich dieser mit dem Zwischenschritt der Spurassistenten konsequent weiter und wird unseren Verkehr in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich verändern. Die Zukunft verspricht so keine Staus mehr, weniger Unfälle und weniger Stress. Sogar einen ersten Mini-Abschluss zum Thema „Self-Driving Car Engineering“ gibt es mittlerweile bereits.

Das faszinierendeste dabei ist aber, dass es nicht nur um die Datenmasse allein geht. Moderne Algorithmen sind selbstlernend, das heißt, sie können eine Prognose oder eine Entscheidung anhand aktuellere Daten ändern. Solche Algorithmen zu finden, ist die hohe Schule von Data Science. „Der Computer an sich ist dumm“, sagt Tappe. „Man muss ihm die richtigen Fragen stellen, und neue Algorithmen entwickeln. Dies ist eine Frage der menschlichen Intelligenz.“