In the LOOP durch die digitale Arbeitswelt: Station 3

„Gamification“ ist das dritte Thema des Probier-Parcours der ersten LOOP Lounge. Wir treffen auf einen großen Bildschirm und auf Martin Steinicke, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Creative Media der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Mit dem Begriff „Gamification“ sind hier computerbasierte Spiele bezeichnet, die zielgerichtet in unternehmerischen Kontexten eingesetzt werden: zur Entwicklung von Marken und digitalen Medien beispielsweise; oder auch, und darum geht es heute, als Tool zur Mitarbeiter-und Führungskräfteentwicklung.

Die Idee von „Gamification“ im personalwirtschaftlichen Kontext ist es, kurz gesagt, Lern- und Lehrprozesse zu beschleunigen, indem betriebliche (Konflikt-) Situationen in Computerspiele übersetzt werden; dadurch werden die Situationen plakativ und schneller erlebbar, was wiederum eine nahtlosere und auch konkrete Aufarbeitung im Gespräch ermöglicht. Ein Beispiel hierfür ist ein Spiel, in dem Führungskraft und Mitarbeitende ein auf einem Bildschirm sichtbares Boot über einen ebenfalls virtuellen Fluss steuern. Ein Schritt nach links lenkt das Boot nach links, ein Schritt nach rechts lenkt es nach rechts etc. Je nachdem wie unbeschadet das Boot den Flusslauf passiert, wird Führungskraft und Mitarbeitenden ihr Mit- bzw. Gegeneinander vergegenwärtigt. Mögliche Kommunikationsprobleme können darauf hin direkt benannt und auf die Schiffbrüche realer gemeinsamer Projekte im Betriebsalltag übertragen werden.

„Gamification“, erläutert von Wissenschaftler Martin Steinicke (Foto: Hannes Harnack/Leuphana)
„Gamification“, erläutert von Wissenschaftler Martin Steinicke (Foto: Hannes Harnack/Leuphana)

Nicht immer sind die avisierten Aha-Erlebnisse den Spielenden sogleich bekannt. So erwischt es auch mich kalt an diesem heißen Juni-Nachmittag. Als Probandin im digitalen Exempel ist es meine Aufgabe, die Gesten eines Männchens nachzuahmen, das auf dem großen Bildschirm vor mir zu sehen ist und dort langsam von oben nach unten fällt; genau diese Falldauer lang habe ich Zeit, die Arm- und Beinstellungen der Spielfigur zu imitieren. Richtig gemacht ist es, wenn die Figur grün aufleuchtet, falsch gemacht, wenn die Figur in Rot und obendrein noch ein rotes „X“ erscheinen. Vor der anderen Hälfte des senkrecht geteilten Bildschirms steht eine Mitspielerin zeitgleich vor einem anderen Männchen und derselben Aufgabe. Nach gefühlt etwa einer Minute ist dieses Spiel vorbei.

Ich hätte nun getippt, dass es bei diesem Spiel um das Verhältnis von Fügsamkeit und Widerborstigkeit gegangen sei, um ein Kräftemessen zwischen der Veranlagung, Anweisungen schnell zu übernehmen und dem Hang zum autarken Handeln; und ich fragte mich schon gespannt, welcher Aspekt hier wohl höher bewertet würde. Das Spiel ging aber anders aus. Ermittelt wurde zunächst eine Gesamtpunktzahl aller korrekt imitierten Gesten, und wir Spielerinnen sollten nun einschätzen, wie viele dieser Punkte wir jeweils selbst erreicht hätten. Meine Mitspielerin tippte auf etwa 50% der Punkte für sich, ich auf allerhöchstens die Hälfte, eher ein Drittel für mich. Und so war es dann auch. Zeigen sollte dieses Spiel, wie positives bzw. negatives Feedback – hier in Gestalt der Rot-/Grün-Symbolik – die spätere Selbsteinschätzung positiv bzw. negativ beeinflusst.

Die Potenziale digitaler Erfahrungsspiele liegen auf der Hand: der Computer als nicht-subjektiver Schiedsrichter, die Transformation realer Negativ-Erlebnisse in Spaß erzeugende digitale Erlebniswelten – kurz, die Reduktion des Nerven-, Zeit- und Kostenaufwands innerbetrieblicher Reibereien beispielsweise. Wie schon der Besuch der „Virtual World Collaboration“ an der ersten Station dieses Probier-Parcours assoziiert die digitale Faszination aber auch hier sogleich ihre analogen Herausforderungen. Denn sind es nicht gerade auch die Spielernaturen unter den Führungskräften und Mitarbeitenden, bis hin zu den „Zockern“, die ihren Unternehmen und der Gesellschaft statt guter Geschäfte beträchtliche Schäden zufügen? Und jedes Computerspiel ist immer nur so parteilos wie seine Urheber. Die Frage danach, ob bzw. wie sich zunehmend in Spielplätze wandelnde Arbeitsumgebungen auf das Wirklichkeitsverhalten der Akteure auswirken, stellt einmal mehr ein relevantes personalwirtschaftliches Forschungsfeld dar; auch bleibt stets zu hinterfragen, wer das jeweils eingesetzte Spiel in wessen Auftrag und mit welchen Zielsetzungen konzipierte.

Ein Gong am Spielfeldrand beendet diese 20-minütige „Gamification“ und bedeutet mir und meiner Besuchergruppe den Aufbruch zur vierten und letzten Station unserer Reise auf diesem Probier-Parcours durch die digitale Arbeitswelt …

Bisher erschienen in der Serie „In the LOOP durch die digitale Arbeitswelt“: Station 1 und Station 2. Die LOOP Lounge wurde im Rahmen des EU-Großprojekts Innovations-Inkubator Lüneburg gefördert und ist eine Veranstaltung des Verbunds Performance Management im Mittelstand.

Henrike Sander
Henrike Sander studierte Sozialökonomie an der Universität Hamburg und ist zurzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Performance Management der Leuphana Universität Lüneburg.