Lernen vom Silicon Valley. Aber richtig.

Im reißenden Strom des digitalen Wandels kann das Silicon Valley sicher als Leuchtturm der neuen digitalen Arbeitswelt angesehen werden. Aber kann es Deutschland auch zur Orientierung für die notwendigen Transformationen hiesiger Unternehmen dienen?

Lange Erfolgsgeschichten und gelebte Traditionen zeichnen typischerweise das deutsche Unternehmen aus. Es ist in der Regel produktorientiert, eingebettet in feste Unternehmenswerte und -normen – und steht nun mittendrin im digitalen Wandel. Für deutsche Unternehmen bedeutet dieser Transformationsprozess, gegenwärtige Praktiken nicht nur überprüfen, sondern zu großen Teilen auch über Bord werfen und ganz neu gestalten zu müssen. Eine weitere, nicht weniger große Herausforderung besteht darin, die Mitarbeitenden und insbesondere auch das Management durch diesen rasanten Wandel hindurch mitzunehmen, ihre Offenheit für Veränderung und Innovation zu gewinnen. Und darüber hinaus stellt sich zudem die Frage nach dem deutschen bzw. europäischen „Ecosystem Factor“: Wie ist die digitale Transformation innerhalb dieses ganz eigenen, individuellen Systems zu bewältigen?

Als Beispiel für eine erfolgreiche digitale Arbeitswelt bietet sich fast wie von selbst das Silicon Valley als Fixpunkt an, sind hier doch genau diese künftigen Geschäftsmodelle bereits im vollen Lauf zu sehen. Aber können die Prinzipien des Silicon Valley und die Strategien dortiger Unternehmen einfach so 1:1 übernommen werden?

Erfolgsfaktoren im Silicon Valley

Das Silicon Valley ist gekennzeichnet von einer Kultur des permanenten Veränderns, und Innovation ist hier absolut positiv besetzt: Man geht mit Neugierde, Eifer und Schnelligkeit an die Dinge heran und will alles immer noch besser machen. Es ist eine Kultur des Innovierens, jeder will spannende Ideen entwickeln und darauf die eigene Firma aufbauen. Das Valley ist schnell, disruptiv, unternehmerisch, und diese Innovationskultur überträgt sich auf alle. Aus der besonderen Kultur entsteht Gründergeist, und aus der fruchtbaren Kombination von Wissen, Talent und gekonntem Netzwerken entstehen neue Unternehmen. Jeder versucht „sein Ding“ und genießt große Freiheiten: Gründer, die es beim ersten Mal nicht schaffen, versuchen es eben ein zweites, ein drittes Mal, bis eine ihrer Ideen tatsächlich durchschlägt und den großen Gewinn aufs Konto spült. Ausprobieren, an Grenzen stoßen und auch scheitern dürfen – eine hohe Risikobereitschaft und tolle Fehlerkultur zeichnen das Silicon Valley aus.

Hinzu kommt die äußerst fruchtbare Symbiose von Wissenschaft und Wirtschaft: Eine Win-win-Situation, die diesen Namen wirklich verdient. In Stanford erlebe ich es immer wieder aufs Neue, wie Unternehmen ganz selbstverständlich auf dem Campus ein und aus gehen, Gastreferenten schicken und gemeinsame Projekte anregen. Aus diesem Miteinander von Wissenschaft und Wirtschaft entsteht Innovation und damit auch der rasante wirtschaftliche Aufstieg des Silicon Valley seit nunmehr 60 Jahren.

Keimzelle dieses Erfolgs war das neben der Universität errichtete Forschungs- und Industriegebiet, der Stanford Industrial Park. Durch diese Einbeziehung der Forschungseinrichtungen ist ein dichtes Netz von ergiebigen und langjährigen Kooperationen entstanden – und das Silicon Valley einer der bedeutendsten Standorte der IT- und Hightech-Industrie weltweit geworden. Auf der Alumni-Liste stehen Silicon-Valley-Pioniere wie Larry Page und Sergey Brin (Google) oder Reid Hoffman (LinkedIn). Diese und zahlreiche Spin-offs der Stanford University belegen eindrucksvoll die gegenseitige Befruchtung von Wissenschaft und Wirtschaft. Und weil Unternehmen auch eine gute Infrastruktur benötigen, liegen Universitäten, Banken, Rechtsanwaltskanzleien und Notariate im Silicon Valley auf engstem Raum zusammen. Andersherum haben Start-ups ebenso kurze Wege zu den Labors, Hörsälen und den Wissenschaftlern von Stanford.

Germany’s Next Top-Model?

Man darf aber auch nicht vergessen: Das Silicon Valley ist sofort und unmittelbar digital gestartet, der Begriff „digitale Transformation“ ist den Unternehmen dort in aller Regel unbekannt. Und während deutsche Unternehmen zumeist noch mit Produkten handeln, sind die meisten Unternehmen im Silicon Valley von Anfang an im Data-Business unterwegs. „Copy & Paste“ kann daher mit Blick auf das Silicon Valley keinesfalls der richtige Ansatz sein. Stattdessen: Hinfahren, das Silicon Valley und seine Kultur direkt vor Ort erleben und die treibenden Faktoren für Innovation und Wachstum sehr genau verstehen; erst dann kann daraus der passende Weg für Deutschland abgeleitet, können die Erfolgsprinzipien für deutsche Unternehmen adaptiert werden. Es gilt, die deutsche Unternehmenstradition und die hiesigen Erfolgsgeschichten sensibel mit den Daten-Innovationen aus dem Silicon Valley zu verheiraten. Nur dann kann auch hier etwas Wertvolles und Zukunftsfähiges daraus werden.

Prof. Dr. Sabine RemdischProf. Dr. Sabine Remdisch
Leiterin des Instituts für Performance Managements der Leuphana Universität Lüneburg und Gastwissenschaftlerin an der Universität Stanford.

Digitaler Fingerabdruck:
„Die Führungskraft auf Distanz wird weniger als Entscheidungsträger gebraucht, stattdessen müssen ihre Hauptfähigkeiten im Beziehungsmanagement liegen.“

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