Kunden lernen schreiben

Kundenbewertungen im Internet sind für Unternehmen Gold wert. Wenn es denn gute Bewertungen sind. Von Eric Singley, VP Product der Erfolgsfirma YELP, lässt sich lernen, wie aus Kunden qualitativ hochwertige Rezensenten werden.

Campus Stanford, Donnerstagabend – wieder einmal steht Spannendes auf Programm: Eric Singley, VP Product der Firma YELP, hält einen Vortrag über die Geschichte seines Unternehmens, die, wie sich zeigen wird, vor allem auch eine Geschichte der für Unternehmen heutzutage unverzichtbaren „Reviews“ ist.

Eric startet seinen Vortrag mit einer Frage ans Publikum: Wer hat schon einmal YELP benutzt? Alle Hände schnellen hoch; natürlich, denn so gut wie jeder nutzt dieses Internetunternehmen, das ein Empfehlungsportal für Restaurants und Geschäfte betreibt. Der Name – YELP – ist dabei die Kurzform des Namens des einstmaligen Offline-Standardwerkes, der Mutter aller Suchportale sozusagen, nämlich YELLOW PAGES. Heute nimmt YELP die Suchenden an die Hand: Wo gibt es den schmackhaftesten Burger der Stadt? Die beste Einkaufsstraße? Den namhaften Kardiologen in nächster Nähe? Wer auf YELP sucht, der greift auf weltweit inzwischen mehr als 100 Millionen Bewertungen zurück.

YELP wurde 2004 gegründet, Eric ist seit Anfang an dabei und schnell wird klar: Hier entwickelt sich eine Erfolgsstory. Angefangen hatte alles mit einer Webseite, auf der Benutzer Freunde um ihre Empfehlungen für lokale Dienstleistungen via E-Mail bitten konnten – die Geburt der nutzergenerierten Rezensionen. Schon bald zeichnet sich ab, dass eine Website-Lösung nicht ausreicht in einer Zukunft, die sich immer mobiler gestaltet. Folgerichtig wurde an einer App-Lösung gearbeitet, die Schritt für Schritt Funktionen ähnlich denen sozialer Netzwerke addierte. Bald darauf richtet YELP eine Gruppe von „Super-Usern“ ein, die YELP-Elite, und kooperiert mit Tischreservierungs-Apps für Restaurants.

Umsätze erwirtschaftet das Unternehmen mit Werbeeinnahmen. So kauft beispielsweise ein Zahnarzt eine Werbeanzeige, die dann bei der Internetsuche zum Begriff „Zahnarzt“ aufpoppt. Heute ist der Markt, auf dem YELP als Innovator startete, ein hart umkämpftes Terrain (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Yelp-in-den-roten-Zahlen-Finanzchef-geht-3097498.html), und wie bei jedem Unternehmen, das hoch am Wind auf Erfolgskurs läuft, tummeln sich auch im Kielwasser des YELP-Erfolges mittlerweile die Mitbewerber.

Nach diesem Überblick kommt Eric auf ein Thema zu sprechen, das mich als Psychologin besonders aufmerksam zuhören und nachfragen lässt – es geht um die „Reviews“, das Zustandekommen und die Entwicklung der Rezensionen, bei uns auch Kundenbewertungen genannt. Solche Bewertungen können inzwischen als „harte Währung“ im Internetbusiness betrachtet werden, ein kostbares Gut für jedes Unternehmen, das auch online verkauft. Und welches Unternehmen tut das heutzutage nicht?

Ich möchte zunächst wissen: Wie bekommt man Nutzer überhaupt dazu, dass sie Rezensionen über ein Produkt, ein Angebot, eine Dienstleistung oder auch das ganze Unternehmen schreiben, wie motiviert man Kunden zum Schreiben?

Eric sagt: Über die Community! Heute wolle man in der Internet-Community sichtbar sein, sich mitteilen, Feedback geben und bekommen. Es sei normal geworden, seine Meinung öffentlich mitzuteilen – und die Peers wissen inzwischen, dass ihre Meinung zählt. Die Motivation speist sich offenbar aus einer ordentlichen Portion Altruismus gewürzt mit einer Art Text-Wettbewerb. Denn der Bewertungstext teilt nicht nur der Community eine Produktbewertung mit, sondern andersherum befindet die Community auch darüber, wessen Text am besten, am aussagekräftigsten ist. Ein bisschen show off ist immer dabei.

Und wie, möchte ich nun wissen, lässt sich die Qualität der Reviews steigern? Denn schließlich ist auch die Qualität der Rezensionen für potenzielle Käufer ein Entscheidungskriterium.

Eric antwortet mit praktischen Beispielen. Ein wichtiges Instrument, um Qualität zu generieren, sei schon das Texteingabefeld: Das sollte möglichst lang gestaltet sein, um die Rezensenten zu ausführlichen Texten zu animieren. Zu kurze Reviews seien oft „trash“, die aufgrund ihrer geringen Aussagekraft schnell rausgefiltert werden müssten. Ein weiterer wichtiger Qualitätsanreiz ist der direkte soziale Vergleich; so erscheint nach der Eingabe einer sehr kurz geratenen Bewertung der Hinweis: „Ihre Rezension ist kürzer als die durchschnittlichen Bewertungen“. Und zudem gälte auch hier die Macht des guten Vorbilds: Bevor ich selbst eine Bewertung abgebe, wird mir zunächst eine andere, qualitativ gut geschriebene Review präsentiert. Damit ist dann das Niveau geklärt, an dem es sich zu orientieren gilt.

Interessiert hat mich schließlich noch, ob es kulturelle Unterschiede in der Qualität der Bewertungen gibt, zum Beispiel zwischen der deutschen und der amerikanischen Bewertungskultur? Nein, höre ich, keine merklichen; aber in China beispielsweise würden deutlich mehr Fotos gepostet als bei uns.

Ich bin beeindruckt. Meine Bewertung dieses Vortrags: sehr authentisch und offen. Der Vortrag transportiert den Spirit, Produkte permanent besser zu machen, stets noch das entscheidende Quäntchen mehr hineinzustecken, immer noch eine weitere Idee auszubrüten. Das steckt an: Ich gebe fünf Sterne!

Prof. Dr. Sabine RemdischProf. Dr. Sabine Remdisch
Leiterin des Instituts für Performance Managements der Leuphana Universität Lüneburg und Gastwissenschaftlerin an der Universität Stanford.

Digitaler Fingerabdruck:
„Die Führungskraft auf Distanz wird weniger als Entscheidungsträger gebraucht, stattdessen müssen ihre Hauptfähigkeiten im Beziehungsmanagement liegen.“

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