Mehr als Schuhe

Zalando hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem Big Player im Online-Versandhandel gemausert. Das digitale Geschäftsmodell prägt vor allem die Logistik des Unternehmens. Ein Ortstermin im Zalando Creative Lab in Berlin.

Ich sitze im Taxi, mein Ziel ist die Straße der Pariser Kommune 8 in Berlin-Friedrichshain. Hier residiert das Zalando Creative Lab. „Das war mal die alte Postzentrale“, klärt mich der Taxifahrer auf. Diese In-Location hat sich die BLG Logistics Group für ihr Beiratstreffen ausgesucht. Das Unternehmen ist aus der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft hervorgegangen und verdient sein Geld mit dem Umschlag von Autos. Alles passt zusammen, denke ich: die ehemalige Post, Zalando und die BLG. Bei dem heutigen Treffen geht es um die Digitalisierung in der Logistikbranche. Ich bin gespannt auf die Vorträge und Diskussionen.

David Schröder, der als Senior Vice President Zalando Operations gewissermaßen der oberste Logistiker im Haus ist, führt uns durch das Lab und erklärt uns das Geschäfts- und Erfolgsmodell von Zalando. Die Online-Plattform für Mode ist seit 2008 am Markt, damals wurden fast nur Schuhe verkauft. Von den heute ca. 10.000 Mitarbeitern arbeiten rund 5.500 in der Logistik, die übrigen in der IT, Kundenberatung und Administration. Logistik bei Zalando bedeutet kostenlose Lieferung, kostenlose Retouren; die Kunden sollen schnell und einfach Schuhe, Mode und Bekleidung erhalten – und bei Nichtgefallen wiederzurückschicken können.

Mode-Shooting (Foto: Zalando)
Mode-Shooting (Foto: Zalando)

Ein Stockwerk tiefer finden die Shoots für die Online-Präsentation von rund 1.000 Produkten statt, die jeden Tag neu ins Netz gestellt werden. Sie können solange gekauft werden, wie Ware auf Lager ist. Manche Produkte sind schon nach ein bis zwei Tagen ausverkauft. Es gehört aber entgegen mancher Vermutung nicht zum Verkaufsmodell von Zalando, künstlich Knappheit zu schaffen um die Kunden auf die Seite zu locken, sondern man will mit 150.000 Produkten online ein attraktives Angebot zugänglich machen. Wenn hier etwas ausverkauft ist, ist es auch nicht mehr in den Lagern vorhanden.

Zalandos Geschichte erzählt keine Revolution, sondern eine sehr schnelle Evolution. Die zwei Gründer aus Berlin, David Schneider und Robert Gentz, haben die vorhandenen Online-Verkaufssysteme untersucht und innovativ weiterentwickelt. Dabei ließen sie sich vom US-Versandhändler Zappos inspirieren. Die Produktauswahl und die Zahl der erschlossenen Ländermärkte stiegen rasant. Der Umsatz kletterte auf ca. drei Milliarden Euro im Jahr 2015, seit 2014 macht Zalando Gewinn. Schnell will das Unternehmen auch in Zukunft sein: Jede Woche wird die Logistik-Software aktualisiert, damit die Geschäftsprozesse extrem agil bleiben. Der Hebel „digitale Technologie“ setzt außerordentliche Kräfte im Online-Versandhandel frei.

Zalando legt besonderen Wert auf Kundenzufriedenheit, nachhaltiges Wachstum und exzellente Prozesse. „It’s all about data“ gilt hier genauso wie in den Hightech-Schmieden im Silicon Valley. Die Nutzung von Kundendaten wird perfektioniert: Wer hat wann wie oft blaue Schuhe angeklickt, welche T-Shirts auf die Wunschliste gesetzt, was bestellt, was zurückgegeben? Präferenzen, beliebte Kombinationen und sonstige Konsummuster sind der Rohstoff für die Marketing- und Vertriebskampagnen von morgen. Durch diese Zalando will seinen Kunden personalisierte Angebote bieten und gleichzeitig haben Brands die Möglichkeit für zielgerichtetes Marketing im Zalando-Shop.

Logistikzentrum (Foto: Zalando)
Logistikzentrum (Foto: Zalando)

Zurzeit werden neue Verkaufsformen ausprobiert, etwa „same day delivery“. Kunden bestellen per App bis 15 Uhr und erhalten das Produkt am selben Tag zwischen 18 und 21 Uhr. Die Testreihe läuft unter dem Namen „Zipcart“ in ausgewählten Städten. Wird sie positiv evaluiert, will Zalando sie teilweise in den Shop integrieren. Schon heute hat das Unternehmen eine Menge aus der Testreihe gelernt:

  • Kunden, welche die App nutzen, bestellen schneller erneut bei Zalando, das heißt, sie sind auf dem Weg zum Power Shopper und bringen Zalando letztlich mehr Profit.
  • Das begrenzte Auslieferungsfenster zwischen 18 und 21 Uhr bietet tatsächlich auch einige Vorteile für die Logistik, beispielsweise können Fuhren besser ausgelastet werden.

Eine andere Testreihe heißt „Retour in 60 min.“ Gemeint ist, dass das Paket innerhalb einer Stunde beim Kunden abgeholt wird. Als ein Problem hat sich herausgestellt, dass die Kunden für diese Dienstleistung nicht gerne extra zahlen – anders als beim „Same Day Delivery“, dessen Nutzen den Kunden eher einleuchtet. Die letztliche Preisgestaltung wird daher noch evaluiert.

Was wird die Zukunft des Online-Versandhandels wohl noch bringen? Eine Idee in der Branche ist es, Warensendungen in das private Auto des Kunden zuzustellen. Statt bei ihm zu Hause zu klingeln – wo an Werktagen selten jemand anzutreffen ist –, fährt der Paketbote zum Arbeitsplatz des Kunden. Dessen Auto steht zuverlässig auf dem Firmenparkplatz. Mit einem speziellen Zugangscode öffnet der Bote den Kofferraum und legt das Paket hinein – ein idealer „Briefkasten“.

Bei Zalando, einem deutschen Unternehmen, das heute 15 Länder in Europa beliefert, finde ich viele Elemente und Prinzipien wieder, die ich aus dem Silicon Valley kenne. Das digitale Geschäftsmodell des Online-Shop, die permanente Innovation und der enge Fokus auf die Kunden sichern den wirtschaftlichen Erfolg. Und natürlich gilt auch hier: „It’s all about data“.

Prof. Dr. Sabine RemdischProf. Dr. Sabine Remdisch
Leiterin des Instituts für Performance Managements der Leuphana Universität Lüneburg und Gastwissenschaftlerin an der Universität Stanford.

Digitaler Fingerabdruck:
„Die Führungskraft auf Distanz wird weniger als Entscheidungsträger gebraucht, stattdessen müssen ihre Hauptfähigkeiten im Beziehungsmanagement liegen.“

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